die wahrheit: Mata Hari der Liebe

Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Flirten beim Palast Viewing.

Immer im Einsatz für die Grande Nation: die Première Dame auf dem Flughafen von Tel Aviv. : rtr

Mon cher journal intime …

Treffe Joseph nun fast jeden Tag. Irgendwie schafft er es immer aufzutauchen, wenn ich in den Garten gehe. Das allerdings tu ich auch ziemlich oft. Ich muss aufpassen, dass Nici nichts merkt. Er hat schon gefragt, ob ich Atemwegsprobleme hätte, weil ich zurzeit so viel frische Luft bräuchte. Ich habe Joseph mein Dilemma geschildert, dass ich heute Abend haben werde, wenn ich mit den Schranzen des Ministeriums Fußball gucken muss. "Palast Viewing" - eine von Nicis Ideen zur "Identifikationsbildung mit dem Arbeitgeber", wie er es nennt (er muss dringend was tun, der Widerstand gegen seine Politik wird auch unter seinen Mitarbeitern immer größer).

Dummerweise spielt heute Frankreich gegen Italien. Nach außen muss ich Französin sein, aber mein Herz, das schlägt doch immer noch für die Italiener (vor allem für Luca Toni, diesen Mann!). Joseph hat meine Zerrissenheit sofort verstanden. Wir haben lange über den Identitätsbegriff nach George Herbert Mead gesprochen, aber gelöst hat das mein Problem nicht. Da hat er den Vorschlag gebracht, ich solle offiziell für Frankreich sein, er aber werde in seiner Gärtner-Kemenate das Spiel sehen und ganz allein für mich Italien-Fähnchen schwenken. Das finde ich sehr süß von ihm und eine tolle Idee. Ich werde ihm ein paar Crostini bringen lassen.

Das Palast Viewing war doch ganz lustig. Obschon Frankreich verloren hat. Oder weil. Ich wusste gar nicht, dass der Sekretär des Außenministers so ein Schnuckelchen ist. Baptiste heißt er. Wir saßen neben der Champagnerbar und hatten einen Riesenspaß. Leider war Nici etwas säuerlich, weil er meinte, meine Flirterei sei peinlich. Ständig würde ich mich an irgendeinen seiner Untergebenen ranmachen. Darauf habe ich ihn gefragt, ob ihm eigentlich schon aufgefallen sei, dass die Abstimmungen in letzter Zeit deutlich besser ausfielen für ihn. Da hat er mich angestarrt, ich habe meinen Katzen-Killerblick aufgelegt, und er hat kapiert. "Du Marta Hari!", hat er ausgerufen, und ich musste nur noch nach hinten sinken.

Ich merke es immer, dass es ihn wahnsinnig anmacht, wenn er Achtung vor mir haben kann. Er hat mich mit den ehrwürdigsten Bezeichnungen bedacht, die alle meine Durchtriebenheit huldigten. Das war toll. Ich habe die ganze Zeit kein Wort von mir gegeben und ihm nur in die Augen gestarrt. Es war wie Sex mit einem Tiger zu haben. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich daran denke!

Wir wissen immer noch nicht, was wir in den Sommerferien machen wollen. Nici ist dafür, es mit seinen Mächtig-mächtig-Freunden "richtig krachen zu lassen", Helikopter, Megayacht, Jetski - das ganze Programm. Ich aber wäre viel lieber mit den Kindern auf dem Land. Dann aber hätten wir natürlich Jean (Sarkozys Sohn, Anm. der Red.) an der Backe, die alte Pestbeule …

Muss eigentlich jeder Depp, der sich mal über uns geärgert hat, ein Buch schreiben? Nur weil Alain Genestar (Ein widerlicher Zeitgenosse, stopft sich bei Empfängen den Mund voll, schiebt das ganze Zeug in eine seiner weichen Hamsterbacken und redet weiter. Grausig!) auf Nicis Geheiß hin von seinem Chefposten bei Paris Match entlassen wurde, versucht er nun, Nici in die Pfanne zu hauen. Was soll das werden? Der Aufstand der Geschassten? Wer kommt als Nächstes? Die Putzfrau, weil Nici seine Unterhosen im Bad liegen lässt? Der Gemüsemann, weil ich über seine Oliven gemeckert habe?

Meine Tunnelphobie macht mir immer mehr zu schaffen. Professor Paré sagt, sie sei Ausdruck meiner Überforderung mit der neuen Rolle. Aus der übersteigerten Erwartungshaltung heraus, alles sein zu müssen - Première Dame, Ehefrau, Musikerin, Hure, Mutter, heißes Ding, Carla Bruni und Stilikone -, projiziere ich meinen Selbsthass auf das Volk, dem ich unterstelle, es wolle mich an der Tunnelwand kleben sehen. Na, ich weiß nicht. Kann es nicht einfach sein, dass ich schlichtweg Verlassensängste habe, aus mangelndem Selbstvertrauen heraus infolge immerwährender Kränkungen durch meine überbordende Mutter, die mir im Konkurrenzkampf zu meinem Vater meine ständige Unterlegenheit als Frau durch ihre offen ausgelebte Sexualität demonstrierte? Ich finde, das hört sich sehr viel plausibler an.

Sonntag, 22. 6. 2008

Wunderbaren Samstag gehabt. Mit Nici auf der "Fête de la musique"gewesen und ein Bad in der Menge genommen. Es ist toll, all die bewundernden Blicke zu spüren, von der Welle der Sympathie getragen zu werden. Es war fast wie Stage-Diving, das ich ja nun als Première Dame nicht mehr machen kann. Egal, wie sehr mein Publikum danach giert. Aber ich werde dieses Mal ja eh keine Konzerte geben. Ach, und die Entscheidung wegen des Stickers habe ich auch getroffen. Ich finde es nun doch nicht mehr eine so tolle Idee, die CD mit einem Aufkleber "Sie können Carla Bruni lieben, ohne ihren Mann zu lieben" zu versehen. Ich werde das absagen. SILKE BURMESTER

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kari

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