Dramatische Stellenstreichungen bei Siemens: Zu deutsch und zu männlich
Siemens will angeblich 15.000 Stellen streichen - vor allem im mittleren und oberen Managment. Der neue Firmenchef will internationaleres Führungspersonal.
MÜNCHEN taz Es sind gewichtige Fragen, die Siemens in seiner aktuellen Werbekampagne aufwirft: "Wie können wir umweltfreundlichere Energie liefern?" heißt es da, oder: "Wie können wir auf neue Kundenwünsche noch schneller reagieren?" Inzwischen scheint klar, dass die Antworten - "Siemens Answers" genannt - mit reduziertem Führungspersonal gefunden werden sollen.
Weltweit sollen, nach übereinstimmenden Medienberichten, demnächst 15.000 der rund 400.000 Arbeitsplätze wegfallen, vor sechs Wochen hatte Siemens bereits Einsparungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro angekündigt.
Erwischen wird es wohl vor allem das mittlere und obere Management. "Es kann nicht sein, dass wir nur bei den Arbeitern Opfer einfordern", kündigte Siemens-Chef Peter Löscher in der Süddeutschen Zeitung an und sprach sich zugleich für eine Abkehr vom rein deutschen Management aus. Das Unternehmen wollte sich am Donnerstag zu den Zahlen nicht weiter äußern. "Kein Kommentar" hieß es auf Anfrage aus der Münchner Konzernzentrale. Aber: Demnächst werde es zu der Sache weitere Informationen geben, allerdings nicht zwangsläufig in den nächsten Tagen. Überrascht zeigten sich die Arbeitnehmervertreter, die in zwei Zeitungsbeiträgen als Quelle genannt werden. Es seien noch keine konkreten Zahlen bekannt, vermeldete die IG Metall und sprach von einer Zeitungsente oder einer "gezielten Indiskretion aus dem Konzern selbst".
Erst übernächste Woche werde eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses anberaumt, sagte auch Birgit Steinborn in ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzende der Hamburger Siemens-Niederlassung. "Die Stellenstreichungen werden bestimmt dramatisch", sagte die Arbeitnehmervertreterin - die auch Mitglied des Siemens-Aufsichtsrats und des Gesamtbetriebsrats ist - im Gespräch mit der taz. Allerdings hätten sich die Jobverluste schon länger angebahnt.
In der Tat hat Siemens-Chef Peter Löscher bereits angekündigt, bis 2010 über eine Milliarde Euro in Vertrieb und Verwaltung einsparen zu wollen. Denn Siemens steht unter Druck - nicht nur durch die Staatsanwälte, die den schwarzen Kassen hinterherjagen, sondern auch durch die Aktionäre.
Einen Börsenkurs von 130 Euro hatte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme beim Amtsantritt von Peter Löscher angeblich als Zielwert ausgegeben. Und für den Fall eines schwächeren Kurses vor einer Übernahme durch Spekulanten gewarnt. Gestern wurde die Siemens-Aktie in Frankfurt nur mit rund 70 Euro bewertet. Steinborn kritisierte, es dürfte dennoch nicht nur um "Kurzfristziele" gehen. Die entscheidende Frage sei, ob die Sparmaßnahmen die wirkliche Lösung seien, um Siemens zukunftsfähig zu erhalten. "Innovationsstrategien, Kundenorientierung und Nachhaltigkeit kommen viel zu kurz. Das stimmt mich nachdenklich."
Auch Löschers Ankündigung einer zunehmenden Internationalisierung im Management sieht Steinborn kritisch: "Ein internationales Management bedeutet auch, dass Deutschland ein Land unter vielen wird. Dass die Führung keine emotionale Bindung mehr hat."
Siemens-Chef Löscher hatte kritisiert, ein sehr großer Teil der 600 Führungskräfte sei "deutsch und männlich". Das müsse sich in den nächsten Jahren ändern. Steinborn beobachtet dagegen bereits jetzt einen "amerikanischen Stil" in der Zusammenarbeit zwischen Management und Arbeitnehmervertretern.
Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer kritisierte den geplanten Stellenabbau. Er setzte sich für eine sozialverträgliche Lösung ein. Schließlich dürfe es nicht so sein, dass die Beschäftigten die Folgen des Korruptionsskandals ausbaden müssten. Einem Konzern wie Siemens müsste mehr einfallen.
Leser*innenkommentare
glande
Gast
Die Konzern ist durch Deutsche groß geworden
und wird von einen Deutschen namens
Peter Löscher zu Grabe getragen, weil
er zum identitätslosen Konzern mutieren soll,
der gefürchtet mit Massenarbeitern Dividende
erwirtschaften soll.
Was ist daran falsch deutsch zu sein?
Taugt das neuerdings als Schimpfwort?
Siemens hat nicht zuletzt wegen deutscher
Manager überhaupt die Fähigkeit gehabt, sich
gegen massives Währungsdumping und fernöstliche
Arbeiterarmeen durchzusetzen.
Weil die Leute in den Schulen die Geschichte
über die "bösen deutschen Männer" mit hören,
weil alles was 100 mal im TV kommt, richtig sein
muß und weil Europa uns zu Sitzpinkler- Idioten
umerziehen will, sollen zukünftige Generationen
von Männern nicht mehr Managementverantwortung
übertragen bekommen.
Herr Löscher ist ein offenkundiger Sexist und
politischer Opportunit.
Auf diesen Mann kann Siemens zuerst verzichten.
Schließlich lenkt er selber von seinen
Schmiergeldskandalen ab, indem er sich gleich
noch seiner Kritikerschar entledigt.
Fazit: Unfähig und gefährlich.
anke
Gast
Übereinstimmende Medienberichte? Wenn man 1,2 Milliarden Euro einspart, indem man 15.000 Leute entlässt, entfällt auf jeden Entlassenen eine "Einsparleistung" von rund 80.000 Euro. Geteilt durch zwei Jahre macht das etwa 3.300 € (Brutto?) im Monat. Da frage ich mich doch: Ist die These, dass diesmal vor allem das mittlere oder sogar das obere Management von der eigenen Unfähigkeit profitieren soll, tatsächlich haltbar?
Übrigens: Ein Unternehmen, das 15.000 Leute im Managementbereich entlassen kann, obwohl es unter seinen 400.000 Beschäftigten nur 600 Führungskräfte besitzt, muss man mir erst noch zeigen. Peter Löscher jedenfalls hat mit seinem Satz („Es kann nicht sein...“) in meinen Augen niemanden entzaubert. Schon gar nicht seine Manager. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass wohl doch den einen oder anderen Arbeiter beschäftigen muss, wer mit Antriebs-, Kraftwerk- und Elektrotechnik 4 Mrd. Euro Gewinn machen will im Jahr. Vom Managen allein ist meines Wissens zuletzt Leonardo DiCaprio reich geworden. Das war 2002 und im Kino. Er hat damals einen Hochstapler gespielt. Einen, der am Ende doch noch aufgeflogen ist.