Historische Mitte: Die historische Mitte bröckelt

In der Gesellschaft Historisches Berlin kracht es gewaltig: Die langjährige Vorsitzende Annette Ahme trat am Wochenende zurück

Die Museumsinsel Bild: AP

Sie wollten Berlins Mitte wieder so haben wie vor dem Krieg: Mit steinerner Rathausbrücke, Marstall, Schlossinsel und Bauakademie. Und die Museumsinsel vor allem Modernen bewahren. Mit ihrem Volksbegehren "Historische Mitte Berlin" ist die Gesellschaft Historisches Berlin nun gescheitert: Bereits zwei Wochen vor dem heutigen Fristablauf hat sie aufgehört, Stimmen zu sammeln - nur knapp 10.000 kamen bisher zusammen. Für die Beantragung eines Volksentscheids wären 20.000 nötig gewesen.

Auch in der Gesellschaft selbst rumort es: Am Wochenende trat in einer turbulenten Sitzung die langjährige Vorsitzende Annette Ahme zurück. Sie unterlag in einer Abstimmung dem 73-jährigen Architekten Bernd Wendland. Dieser wirft Ahme vor, demokratische Strukturen nicht zu respektieren und heimlich den Austausch des Vorstands durch ihr genehme Leute betrieben zu haben. Trotzdem bedauert Wendland den Weggang seiner Vorgängerin: "Annette Ahme ist es gelungen, den Verein zu beleben."

Der Verein, der rund 935 Mitglieder im ganzen Bundesgebiet umfasst, kämpft unter anderem für die "Unversehrtheit" des Weltkulturerbes Museumsinsel. Ihre Gegner sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der britische Architekt David Chipperfield, der dort ein Eingangsgebäude in modernem Stil bauen will und das Neue Museum unter Offenlegung von geschichtlichen Blessuren restauriert. Außerdem kämpfen die selbsternannten Bewahrer der historischen Mitte für den originalgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses und der Schinkelschen Bauakademie.

Die Vorsitzende Annette Ahme war eine laute und öffentlich präsente Fürsprecherin dieser Anliegen. Jetzt muss der Verein ohne die Aktivistin zurechtkommen. Denn Ahme ist nicht nur zurück-, sondern gleich ganz ausgetreten. Ihre Version der Ereignisse stellt sich allerdings etwas anders dar: Sie habe den Posten aufgegeben, weil der Verein entgegen ihrem Willen eine viel zu teure Geschäftsstelle in der Nähe des Friedrichstadtpalastes angemietet habe. Bei der Vereinssitzung am vergangenen Wochenende sei es dann zum "Crash" gekommen. "Der Verein ist in sich zerstritten, was die Arbeit nicht fördert", so lautet die Diagnose der Historikerin. Mit dem gescheiterten Volksbegehren habe ihr Rücktritt nichts zu tun, versichert sie.

Ans Aufgeben denkt indes keiner. Weder Ahme, die weiterhin in einer Initiativgruppe für die Wiedererrichtung der historischen Rathausbrücke kämpfen will. Noch ihr Nachfolger Wendland, der gegenwärtig nach einer neuen Richtung für den Verein sucht. Unterschriften sammeln will er nicht noch einmal. "Obwohl viele Menschen unserer Meinung sind, reicht unsere Kraft für die zweite Stufe eines Bürgerbegehrens nicht aus. Dafür fehlen uns Personal und Finanzen", sagt er. Mit einem Appell an die Unesco habe man auch keine guten Erfahrungen gemacht: Die sei "von der gegnerischen Partei unterwandert", man sei dort auf Desinteresse gestoßen.

Wendland und sein Verein setzen nun auf historisch interessierte Fürsprecher im Parlament: Zwei CDU-Anträge auf eine Gestaltungssatzung für die "historische Mitte" und für die Rathausbrücke liegen derzeit im Abgeordnetenhaus. Über sie wird frühestens im September beraten.

Bis dahin will auch Ahme, allen persönlichen Differenzen zum Trotz, noch einmal in die Vollen gehen. Mit früheren Mitstreitern möchte sie eine "größere Kampagne" starten, um die Öffentlichkeit für Berlins älteste Steinbrücke - die Rathausbrücke am Schlossplatz - zu sensibilisieren. Die vom Senat geplante moderne Brücke sei eine "Schande".

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