Tour de France in voller Fahrt: Doping? Ach was!

Veranstalter, französische Presse und Fans wollen von Doping offenbar nichts mehr wissen. Dabei ist der Gewinner der ersten Touretappe, Alejandro Valverde, äußerst verdächtig.

Der erste Etappensieger: Ein Hauptverdächtiger in der Dopingaffäre um den madrilenischen Arzt Eufemiano Fuentes. Die Franzosen wollen es aber lieber nicht so genau wissen. Bild: dpa

AURAY taz Schöner hätten sich die Tour-de-France-Veranstalter den ersten Tag der 2008er-Edition ihres Rennens nicht wünschen können. Der Himmel war tiefblau, eine angenehme Brise wehte vom Atlantik her und ließ die Segelschiffe beschaulich im Hafen des Startorts Brest hin und her schaukeln. Vor allem aber säumten die Fans in Massen die Strecke, was selbst die kühnsten Optimisten nach der Katastrophentour 2007 nicht zu träumen gewagt hätten. Noch zehn Kilometer außerhalb von Brest standen die Menschen in drei, vier Reihen an den Straßenrand gedrängt, schwenkten Fahnen und taten ihre Anhängerschaft für ihre Lieblingsfahrer kund. Festtagsstimmung in der Bretagne.

Auch das Rennen war so recht nach dem Geschmack echter Tour-Fans. Es war eine dramatische Hatz vom westlichsten Zipfel ins Landesinnere, abgeschlossen von einem packenden Finale einen fiesen Schlussanstieg hinauf zum Örtchen Plumelec. Dass es ausgerechnet der Spanier Alejandro Valverde war, der sich als erster Fahrer in diesem Jahr das Gelbe Trikot anziehen durfte, vermochte die Begeisterung nicht im Mindesten zu trüben. Die Tatsache, dass er ein Hauptverdächtiger in der Dopingaffäre um den madrilenischen Arzt Eufemiano Fuentes ist, tat der allgemeinen Ausgelassenheit nicht den geringsten Abbruch. Man ist in Frankreich entschlossen, die Tour zu genießen.

So feierte die Sonntagsausgabe der LEquipe auf ihren ersten drei Seiten den großartigen Sieg von Valverde und kürte ihn zum "Fürsten der Bretagne". Von seinen Verstrickungen war nicht eine einzige Zeile zu lesen. Ähnlich fiel die Berichterstattung der Regionalzeitung LOuest und anderer Blätter aus. Alleine der Figaro sprach in einem kurzen Artikel vom "verstörenden Favoriten" Valverde. Dazu stellte das Blatt jedoch ein Interview mit Tour-Direktor Christian Prudhomme, der sich über die "mediale Hysterie rund um das Thema Doping" beklagte.

Diese Hysterie scheint allerdings ohnehin schon längst wieder abgeklungen. Als sich Valverde sowie sein Mannschaftskamerad Oscar Pereiro - nach der endgültigen Verurteilung von Floyd Landis in der vergangenen Woche durch den CAS in Lausanne Tour-Sieger von 2006 - vor dem Rennen der Presse stellten, wurden brav der Stand ihrer Vorbereitungen und ihre anvisierte Taktik abgefragt. Die einzige Frage zur Operación Puerto tat Valverde mit dem kurzen Kommentar ab, dass es wohl immer Zweifler geben werde, daran könne er nichts ändern. Pereiro stand seinem Kollegen bei, indem er darum bat, man solle in die Zukunft blicken und nicht in die Vergangenheit. Damit gaben sich die Journalisten zufrieden, nachgehakt wurde nicht.

Ähnliches spielte sich nach Valverdes Etappensieg ab. Zu Fuentes gab Valverde "keinen Kommentar" und widmete stattdessen seinen Sieg "allen wahren Fans des Radsports". Damit meinte er wohl alle, die sich von der weitverbreiteten Skepsis der letzten zwei Jahre nicht hatten beirren lassen - jene Fraktion also, die sich in Frankreich gerade wieder durchsetzt. So hat Valverde, dem nach herausragenden Ergebnissen im Frühjahr der Tour-Sieg zugetraut wird, in den kommenden drei Wochen nur wenig zu befürchten: keine Buh-Rufe, keine unangenehmen Nachfragen und wohl auch keine Behelligung durch Behörden und Dopingfahnder. Sowohl die französische Regierung als auch der nationale Verband und die Antidopingbehörde stehen hinter Tour-Chef Christian Prudhomme, der verblüffenderweise bei der Einladung von Valverdes Mannschaft Caisse dEpargne weniger konsequent war als bei der Ausladung der Mannschaft des amtierenden Tour-Siegers Alberto Contador, Astana. Prudhomme begründete seine Politik damit, dass er nur Mannschaften schneide, die in der Vergangenheit negativ aufgefallen seien.

Auch wenn die Tour am 20. Juli über die italienische Grenze rollt, muss Valverde nicht zittern. Der Ankläger des italienischen olympischen Komitees CONI, Ettore Torri, der von der Staatsanwaltschaft in Madrid die Akten Valverdes angefordert hatte, versprach, während der Tour stillzuhalten. Doch Valverde fühlt sich mittlerweile so unantastbar, dass er eine Einladung Torris nicht fürchtet: "Ich unterhalte mich gerne mit dem Herrn", sagte der Spanier frech.

Als Valverde am Sonntag in seinem Gelben Trikot zur Einschreibezeremonie schritt, überschlug sich die Stimme des Tour-Sprechers routinemäßig vor Begeisterung, die Fans jubelten, und Valverde kam vor lauter Autogrammeschreiben kaum bis zur Startlinie. Das Radsportfest Tour ist voll in Schwung. Doping - das war letztes Jahr.

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