„Vertrauen kann nur wachsen“

Stoiber und seine bayerische CSU-Fraktion haben ein Problem, sagt Landtagspräsident Alois Glück: Es fehle an Vertrauen. Doch das könne man nicht per Beschluss erzwingen

taz: Herr Glück, manche in Ihrer Schwesterpartei CDU beklagen, der Koalitionsvertrag sei zu rot gefärbt. Sehen Sie das auch so?

Alois Glück: Das Verhandlungsergebnis ist eine Schnittmenge, bei der jeder zurückstecken muss. Vorrangig muss für alle sein, dass eine große Koalition insgesamt erfolgreich ist. Sonst laufen wir in eine neue Enttäuschung der Bevölkerung – und als Folge vielleicht in eine Destabilisierung der parlamentarischen Demokratie.

Wo erkennen Sie denn noch die Handschrift der CSU?

In der Berliner Koalition kann keine Partei ihr Programm voll entfalten. Wichtig ist es daher, dass wir in anderen Handlungsfeldern wie der Landespolitik unsere Verbindung von ökonomischer Kompetenz und sozialer Verantwortung zur Geltung bringen. Was für beide Unionsparteien ansteht, über die Koalitionsverhandlungen hinaus, ist eine Weiterentwicklung des Sozialstaatskonzepts.

Was heißt das?

Die Gerechtigkeitsfrage muss neu buchstabiert werden. Wir brauchen eine neue Statik im Sozialstaat, und dazu gehören neben der Verteilungsgerechtigkeit als zentrale Elemente auch Chancengerechtigkeit und Generationengerechtigkeit.

Auf dem Parteitag muss Edmund Stoiber für eine Regierung werben, von der er augenscheinlich selbst nicht überzeugt ist. Erwarten Sie dennoch eine deutliche Zustimmung zum Koalitionsvertrag?

Edmund Stoiber wird keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, hinter dem er nicht steht. Und er wird den Vertrag ja nicht als Solist zu vertreten haben, sondern es ist ein gemeinsames Verhandlungsergebnis.

Vorigen Mittwoch hat Stoiber vor der Landtagsfraktion mehr Kommunikation versprochen. Genügt Ihnen das?

Die Offenheit für Gespräche ist eine wichtige Grundvoraussetzung, aber damit sind die Inhalte noch nicht beschrieben. Es kommt in erster Linie darauf an, dass über das Gespräch hinaus auch wieder die Vertrauensbasis wächst. Dass das Vertrauen, wo es verloren gegangen ist, wieder zurückgewonnen wird. Das kann man aber nicht beschließen, das kann nur wachsen.

Wie lange darf dieses Wachstum dauern?

Es hat überhaupt keinen Sinn, dafür ein Datum zu nennen. Wir gehen da miteinander in einen Prozess hinein. Wir sind allmählich auch auf dem Weg zu den Wahlen 2008. Da werden alle besonders sensibilisiert sein.

Edmund Stoiber hat eine Rückkehr zum Regierungsstil der Neunzigerjahre versprochen. Aber schon 1998 gab es Gegrummel, Sie haben damals als Fraktionsvorsitzender mehr Kommunikation eingefordert.

Es ist ganz normal, dass es ab und an zwischen der Regierungspartei und der Regierung Spannungen gibt. Wichtig ist, dass intern offen und fruchtbar kommuniziert wird. Das ist uns damals sehr gut gelungen. Und das ist durchaus ein guter Maßstab, wie die Dinge in Zukunft wieder sein sollten.

Wird dieser Maßstab schon heute auf dem kleinen Parteitag zum Tragen kommen?

Im Mittelpunkt der Beratungen steht der Koalitionsvertrag. Was die Delegierten darüber hinaus zur Sprache bringen, liegt in ihrer freien Entscheidung. Da wird sicher nichts unterbunden.

Wie will die CSU verlorenes Vertrauen zurückgewinnen?

Sie können bei einer Beziehung zwischen Menschen kein Rezept verkünden. Da gibt es kein erstens, zweitens, drittens – und am Ende ist das Vertrauen wieder da. Das hängt immer von den handelnden Akteuren ab. Das muss Edmund Stoiber persönlich in besonderer Weise gelingen.

INTERVIEW: MAX HÄGLER