Wirtschaft in Deutschland: Verhalten wachsend bis schrumpfend

Seit Juli 2007 hat der Dax ein Viertel an Wert verloren. Auch in der Realwirtschaft trübt sich die Stimmung rapide ein. Ist das jetzt die Rezession?

Die Lager sind voll, nicht nur in der Industrie. Es fehlt an Kaufkraft Bild: dpa

Für die Börse war es ein schwarzer Freitag: Zwischenzeitlich fiel der DAX auf sein Jahrestief und lag bei Redaktionsschluss nur noch bei 6.162,25 Punkten. Das war ein Verlust von 2,26 Prozent allein zum Vortag. Seit seinen Höchstständen im Juli 2007 hat der DAX inzwischen fast 25 Prozent eingebüßt.

Die Depression an den Börsen entspricht den negativen Entwicklungen in der Realwirtschaft. Der Aufschwung dürfte vorbei sein. "Deutschland ist auf dem Weg in eine Rezession", sagt etwa Stephan Schulmeister vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), das an den Konjunkturprognosen für das Bundeswirtschaftsministerium beteiligt ist. Von einer Rezession wird gesprochen, wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes in zwei Quartalen hintereinander geschrumpft ist.

Die Finanzkrise auf dem US-Hypothekenmarkt hat nun auch Deutschland erreicht. Es trifft den Exportweltmeister, dass die Nachfrage weltweit zurückgeht. Hinzu kommt der sehr starke Euro, der gegenüber dem Dollar immer neue Höchststände erklimmt und deutsche Waren teuer macht. Im zweiten Quartal sind denn auch vor allem die Aufträge für die deutsche Industrie weggebrochen. Diese Entwicklung kündigte sich schon im ersten Quartal an: Damals stiegen die Lagerbestände der Unternehmen plötzlich rasant an. "Das ist ein Frühindikator für eine Konjunkturabschwächung", so Schulmeister. Denn die Firmen produzierten zwar noch, konnten aber plötzlich ihre Waren nicht mehr absetzen - die Lager schwollen an. Das Wachstum im ersten Quartal betrug noch sensationelle 1,5 Prozent. Doch ein Teil dieses Plus wurde eben gerade dadurch erzielt, dass die Lagervorräte zunahmen.

In der Bundesregierung scheint man inzwischen ebenfalls davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal geschrumpft ist. Das will zumindest die Nachrichtenagentur Reuters "von einer Person in der Regierung" erfahren haben. Saison- und kalenderbereinigt sei das reale Bruttoinlandsprodukt zwischen minus 0,75 und minus 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken.

Es gibt allerdings auch eher optimistische Prognosen, doch selbst sie fallen sehr verhalten aus. So ging das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Donnerstag in seinem monatlichen Konjunkturbarometer davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal immerhin noch um 0,2 Prozent gewachsen sein könnte. In den nächsten drei Monaten soll das Plus 0,3 Prozent betragen. "Die Wirtschaft kriecht ins dritte Quartal."

Und was bedeutet das in der Summe? Die Bundesregierung bleibt vorerst bei ihrer Prognose vom April, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,7 Prozent wachsen wird - und im nächsten Jahr immerhin noch um 1,2 Prozent.

Konjunkturexperte Schulmeister würde sich mehr Skepsis wünschen und verweist auf das Beispiel der USA, wo mit Steuer- und Zinssenkungen gezielt versucht wird, die Konjunktur zu beleben. "US-Politiker zeigen sich zu Beginn einer jeden Krise dezidiert besorgt." Das würde die Unternehmer beruhigen und zu neuen Investitionen ermutigen. "In Europa hingegen wird immer gesagt, es gebe kein Problem - und wenn es eins gäbe, würde man auch nichts tun."

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