Tote Bergsteiger auf der Zugspitze: Der Reiz des Extremen

Alles für den Kick? Beim Extremberglauf an der Zugspitze starben zwei Menschen. Der Deutsche Sportbund kritisiert die Sinnlosigkeit von Extremsport.

So geht's: maßvollen Schrittes und warm eingepackt. Bild: ap

Welche Ansammlung von Superlativen: Beim "Double-Ultra-Triathlon" schwimmen die Athleten 7,6 Kilometer, fahren 360 Kilometer Rad und machen sich abschließend 84,4 Kilometer zu Fuß auf den Weg. Andere bewältigen 2.000 Höhenmeter im gehetzten Sprint. Wo hier der Sinn ist?

Nirgends - meint zumindest der Deutsche Sportbund. Der prangert Extremsportarten als "Absurditätenkatalog der Freizeitgestaltung" an und warnt vor "Bewegungsidiotie". Das nun zwei Männer bei einem Extremberglauf auf die Zugspitze an Erschöpfung und Unterkühlung starben, ist demnach zwar tragisch. Aber ist das Unglück bei dem 14,7 Kilometer langen Lauf von 1.020 auf 2,944 Meter Höhe doch nur eine logische Folge der Suche nach dem ultimativen Kick?

Für den Sportpsychologen Michael Zaus von der Universität Rostock reicht dies als Begründung nicht aus. Er unterscheidet klassische Extremsportler von sogenannten Outlaws. Während sich die Ersteren in legalen, organisierten Raum bewegen, widmen sich Outlaws abseits vieler Regeln dem grenzenlosen Streben nach Selbstanerkennung. Ein Gros der Unglücke gehe daher auf "massive Fehlorganisation" zurück - so auch die Todesfälle auf der Zugspitze. Nichtsdestotrotz sei die Verantwortung nicht nur bei den Veranstaltern zu suchen. Vielmehr sei es auch falscher Ehrgeiz, der die Outlaws das Leben kostete. Der Wille, bis an seine Grenzen zu gehen und diese immer wieder neu zu erfahren, macht für den Sportpsychologen das Besondere an Extremsportarten aus.

Möglicherweise war es die Sehnsucht nach der Grenzerfahrung, die die beiden 41- und 45-jährigen Bergläufer dazu trieb, trotz Erschöpfung bis knapp 100 Meter vor dem Ziel weiter zu laufen. Eine Mischung widriger Wetterverhältnisse hatte den Lauf schon zu Beginn des Anstiegs erschwert: Anfänglicher Regen wurde von eisigem Wind angepeitscht, kurze Zeit später liefen viele Teilnehmer in kurzen Hosen und T-Shirts durch zehn Zentimeter tiefen Neuschnee.

Das Ergebnis dieser Jagd nach immer extremeren Leistungen war fatal: Neben den zwei Toten gab es sechs Verletzte und fast die Hälfte der Starter kam nicht ins Ziel.

Wieso der Lauf trotz widriger Wetterverhältnisse nicht abgesagt wurde, muss sich nun der Veranstalter, die get-going GmbH, fragen lassen. Schon Tage vor dem Start hatte diese im Internet auf das nasskalte und windige Wetter aufmerksam gemacht.

Die Gefahren der Extremberglaufs waren also zumindest teilweise bekannt. Die Sehnsucht nach dem Kick und der Grenzüberschreitung indes waren für viele Sportler immer noch deutlich größer. Ob die Organisatoren der get-going GmbH das Leben der Sportler leichtfertig aufs Spiel setzte, ist jedoch fraglich. "Im Grundsatz hat jeder Läufer auch eine Verantwortung für sich selbst", sagte Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl. Trotzdem prüfe er, ob es den Anfangsverdacht eines Straftatbestands der fahrlässigen Tötung gebe.

SIMON WALTER

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