Debatte Leben ohne Rohstoffe: Die Vernunft des Preises

Der freie Markt ist unser bester Ratgeber. Denn steigende Kosten zwingen dazu, effizient zu handeln und neue Technologien zu entwickeln

Die Menschheit kann sich mit erstaunlicher Flexibilität und in erstaunlichem Tempo an veränderte Knappheitsbedingungen anpassen. Steigt der Preis für einen Rohstoff nachhaltig, werden Aktivitäten zur Vermehrung des Angebots lukrativ, die es vorher nicht waren. Bei allen mineralischen Rohstoffen gibt es deshalb ein Grundgesetz: Die abbauwürdigen Vorräte in der Erdkruste sind umso größer, je höher der Marktpreis liegt. Das gilt für Erdöl, Erdgas, Uran, Eisen, Nickel, Gold, Silber, Kupfer, Zinn und jedes andere Metall.

In seinem berühmten Aufsatz "The Use of Knowledge in Society" (zu deutsch: Der Gebrauch von Wissen in einer Gesellschaft) aus dem Jahre 1945 hat Friedrich August von Hayek das Wirken des Preissystems zur Koordination menschlicher Aktivität am Beispiel von Zinn veranschaulicht. Wenn eine neue Anwendung für das Metall gefunden wird, wird es in einem vernünftigen Sinn dieses Wortes "knapper". Dieses ökonomisch wichtige Faktum erfahren Zinnproduzenten und -verbraucher dadurch, dass der Zinnpreis steigt und sie alle zu vermehrter Zinnproduktion anhält oder zum sparsameren Umgang mit dem Metall Zinn veranlasst. Das Preissystem übermittelt in bewundernswert einfacher Form das, was alle anderen Betroffenen von der neuen Anwendung einzig wissen müssen: dass Zinn nunmehr knapper geworden ist.

Nehmen wir das aktuell häufig diskutierte Beispiel Uran. Uran wird gebraucht, um mithilfe der Uranspaltung Nutzenergie in Atomkraftwerken zu gewinnen. Fälschlicherweise wird vom Bundesumweltministerium und anderen die Behauptung aufgestellt, dass das Uran für Atomkraftwerke in der Welt nur noch für 40 bis 50 Jahre reiche. Diese Aussage mag richtig gewesen sein beim früheren Uranpreis, als auch Erdöl, Erdgas, Kohle wesentlich billiger waren als heute. Damals erschien auch der Neubau von Atomkraftwerken als nicht rentabel. Aber durch den Anstieg der Preise für Kohle und Erdgas ist der Neubau von Atomkraftwerken heute wieder hoch attraktiv. In Antizipation dieser höheren Urannachfrage ist inzwischen der Uranpreis gestiegen - mit der Folge, dass auch die abbauwürdigen Uranvorräte wieder wesentlich höher liegen. Und sollte der Uranpreis noch weiter steigen, dann wird es rentabel, das Uran aus dem Meerwasser zu gewinnen, wo es in geringer Konzentration vorkommt. Dann aber sind die Uranvorräte praktisch unerschöpflich. Denn die Weite der Ozeane enthält unvorstellbar viel Uran.

Ähnliches gilt für andere Metalle. Zwei Drittel der weltweiten Nickelproduktion gehen in die Herstellung von Edelstahl. Daher ist der Preis des Edelstahls abhängig vom Preis für Nickel. Steigt nun der Preis für Nickel nachhaltig, dann beginnt die Wissenschaft und Ingenieurkunst Ersatzstoffe für Edelstahl zu entwickeln. Heute wissen wir, dass die Kunststoffe, die aus reichlich vorhandenen Rohstoffen wie Erdöl oder Kohle gewonnen werden, so "getrimmt" werden könnten, dass sie in vielen Anwendungen Edelstahl ersetzen würden. Ob sich eine derartige wissenschaftlich-technisch-industrielle Entwicklung betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich lohnt, sagt uns der Marktpreis für Eisen, Nickel und Aluminium. Je höher die Metallpreise sind, desto früher werden sie in vielen Anwendungsgebieten durch Kunststoffe ersetzt -- nicht sofort, aber auf Dauer.

Zugleich steigt auch das Angebot von Nickel mit seinem steigenden Marktpreis. Nickel kommt in der Erdkruste praktisch universell vor, aber in ganz unterschiedlichen Konzentrationen. Je geringer die Konzentration des chemischen Elements Nickel bei einem Vorkommen ist, desto teuerer ist es, das reine Nickel aus diesem Vorkommen zu erhalten. Aber je höher sein Marktpreis ist, desto zahlreicher werden die Vorkommen, bei denen die Aufbereitungskosten vom Marktpreis getragen werden. Damit steigt wiederum das Angebot des Rohstoffs.

Auch das Recycling von Metallen ist mit Kosten verbunden. Vor einiger Zeit lohnte sich das Sammeln von Stahlschrott nur in wenigen Fällen. Mit dem gestiegenen Stahlpreis wird Schrottsammeln wesentlich lukrativer. So steigt mit steigendem Eisenerzpreis und steigenden Energiepreisen die Wiedergewinnung von Stahl auf Schrottbasis. Das aber führt dazu, dass eine Tonne Stahl mit einem umso geringeren Bedarf an Eisenerz einhergeht, je höher der Preis für Eisenerz ist.

Natürlich gibt es auch auf Rohstoffmärkten Fehlentwicklungen. Doch niemand hat bisher ein besseres Allokationsverfahren für aus dem Boden gewonnene Rohstoffe entwickelt als das Preissystem. Alle planwirtschaftlichen Versuche, die Gewinnung und den Einsatz von mineralischen Rohstoffen zu optimieren, sind früher oder später fehlgeschlagen.

Die Zukunft ist ungewiss -auch und gerade für den staatlichen Planer. Da er seine Planung auf regelmäßig fehlerhaften Prognosen aufbauen muss - denn jede Prognose ist fehlerhaft - ist auch sein Plan nicht zukunftsadäquat und führt daher zur Fehlsteuerung knapper Ressourcen. Auch die Marktteilnehmer handeln stets aufgrund von falschen Prognosen. Sie gewinnen allerdings, wenn ihre Prognosen weniger falsch waren als die der anderen Marktteilnehmer, und sie verlieren, wenn sie mit ihren Prognosen stärker daneben lagen als die anderen.

Der Marktpreis eines funktionierenden Rohstoffmarktes informiert jeden Marktteilnehmer in unübertrefflich effizienter Weise über die gegenwärtigen Erwartungen aller anderen Marktteilnehmer. Insofern ist jeder Marktteilnehmer besser informiert über das, was "die Welt" über den gehandelten Rohstoff denkt als dies ein staatlicher Rohstoffplaner je sein kann, der auf das Informationsmedium "Markt" verzichtet. Nichts vermag den Informationsfluss und das Wissen so effektiv zu zentralisieren wie ein funktionierender Markt.

Die Marktteilnehmer reagieren auf Preisänderungen in ihrem eigenen Interesse durch Änderungen ihrer Pläne -- und zwar sofort. Demgegenüber ist eine bürokratische Verwaltung der Rohstoffe immer sehr langsam in ihrem Anpassungsverhalten. Diese Anpassungsfähigkeit der Weltgesellschaft setzt aber voraus, dass das Eigeninteresse der einzelnen Akteure sie zur Anpassung bereit macht. Das ist immer dann der Fall, wenn die Güterpreise jeden einzelnen Akteur die veränderten Knappheitsrelationen spüren lassen. Wird demgegenüber Knappheit im politischen Prozess verwaltet, dann kämpfen die Bürger, die von einer Veränderung negativ betroffen sind, gegen die erforderlichen Anpassungen an neue Knappheiten. Politisch verwaltete Knappheit zeigt deswegen weitaus weniger Anpassungsfähigkeit als das Marktsystem. Die heute in vielen Staaten der Welt gezahlten Subventionen für Strom, Heizwärme oder Kraftstoffe behindern gegenwärtig die Reaktion der Nachfrageseite auf die gestiegenen Energiepreise. Energieverschwendung wird dort staatlich gefördert und ist -- einmal eingeführt - politisch schwer rückgängig zu machen.

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