Der Duke im Pappmaschee-Dschungel

KULTURGESCHICHTE Auch in Berlin begeht man mittlerweile jeden Februar den Black History Month. Unser Autor erzählt vom afroamerikanischen Einfluss auf die US-Kultur und vom Nachhall der Sklaverei

Veranstaltungen in der Werkstatt der Kulturen:

■ Freitag, 8. Februar, 21 Uhr: Alai K. – Soul aus Kenia.

■ Freitag, 15. Februar, 21 Uhr: Emorio & Mestre Pim Pim – Fusion aus brasilianischer, afrikanischer und amerikanischer Musik.

■ Jeden Sonntag im Februar, ab 16 Uhr: Jazz, Jam & Food. Eric Vaughn lädt zu Jazz-Sessions ins Foyer der Werkstatt der Kulturen. Mit großem Buffet (auch für Vegetarier und Veganer).

VON CHRISTIAN BROECKING

Zu Duke Ellingtons Zeit hieß black noch negro, und für ihn galt zeitlebens eine Betrachtung des afroamerikanischen Schriftstellers Ralph Ellison, dass jeder weiße Amerikaner mindestens auch zur Hälfte negro sei. Dass die von dem schwarzamerikanischen Saxofonisten Fuasi Abdul-Khaliq geleitete Ebony Big Band, die den Black History Month in der Werkstatt der Kulturen eröffnete, unter dem Motto „The African-American culture called Jazz in the 1930s“ auftrat, deutet an, wie sehr sich diese Musik an der Last von Segregation und Rassismus abgearbeitet hat.

Derartige Themen sind es, die beim Black History Month verhandelt werden, der seit 1990 auch hierzulande begangen wird. Den ganzen Februar über gibt es in Berlin Veranstaltungen zur afroamerikanischen Kulturgeschichte. In der Werkstatt der Kulturen bleibt das Zelebrieren schwarzer Kultur dabei aber nicht darauf beschränkt: Wie in den Vorjahren gibt es Konzerte mit „World Wide Music“.

Dazu gehört etwa der Swahili Soul von Alai K ebenso wie afro-brasilianischer Fusion mit Emoriô & Mestre Pim Pim. Den Rahmen der Veranstaltungen zum Black History Month setzt der afroamerikanische Jazz-Schlagzeuger Eric Vaughn jeweils sonntagnachmittags mit „Jazz Jam & Food“, einer Live-Session mit wechselnden Gästen.

Bereits in den 1920er Jahren gab es jeden Februar in den USA eine Negro History Week, seit 1976 ist dieser Monat als Black History Month bekannt. Dass junge Jazz-Musikeres heute ablehnen, ihre Musik Jazz zu nennen, weil sie den Begriff rassistisch infiziert wähnen und stattdessen lieber von BAM, Black American Music, sprechen, fokussiert sehr deutlich die Spuren dessen, was den amerikanischen Schwarzen einst angetan wurde: Verschleppung, Vergewaltigung, Sklaverei.

Vor gut 100 Jahren galt Washington als die intakteste Negro-Community, Anfang der Zwanzigerjahre entwickelte sich dann Harlem zum kulturellen Zentrum der schwarzen Kultur. Als der große Jazzpianist und Komponist Duke Ellington dann von Washington nach New York umzog, spielte er oft in jenen Kneipen, in der Weiße und Schwarze bedient wurden – jenen Black and Tans genannten Kneipen widmete er seine Komposition „Black and Tan Fantasy“.

Zwischen 1927 und 1931 war das Duke Ellington Orchester fast durchgängig im Harlemer Cotton Club engagiert, wo nur weißes Publikum zugelassen war, ausgenommen schwarze Celebrities, für die einige Stühle im hinteren Bereich reserviert waren. Die Besitzer waren weiß, das Personal, die Tänzer und Musiker schwarz. Im Cotton Club wurde der Afrika-Kult zelebriert, und African Craze war hip in jenen Blütetagen der Harlem Renaissance. Hier entwickelte Ellington den sogenannten Jungle-Stil, der sich später etablierte – passend zu wirren Revuenummern, in denen ein gut gebauter hellhäutiger Afroamerikaner mit Pilotenhelm und Shorts durch einen Pappmaschee-Dschungel prescht und auf eine goldlockige weiße Schönheit trifft, die von einer Runde Schwarzer angebetet wird.

Der Black History Month wurde offiziell 1976 in den USA ins Leben gerufen. Seit 1990 gibt es den Feiermonat auch hierzulande

Der Pilot rettet die Blonde, und im Hintergrund „knurren, schnaufen und schnauben“ die Ellington-Bläser in „obszöner Weise“ auf ihren Instrumenten, wie der Jazzhistoriker Marshall Stearns es einst beschrieb. Eine im Gegensatz zum primitivistischen Afrika-Wahn auch für Ellington bedeutendere Strömung der Harlem Renaissance setzte auf die schwarze Unabhängigkeit und Gleichberechtigung im Rahmen der abendländischen Kultur, auf die Entwicklung eines eigenen Kanons ewig gültiger, notierter Kunstwerke, wie man ihn bis zum heutigen Tage an der New Yorker Hochkultur-Institution Lincoln Center pflegt.

Im April 1999 gab das Pulitzer-Komitee, dem auch der afroamerikanische Harvard-Professor Henry Louis Gates jr. angehört, die posthume Preisvergabe an Duke Ellington bekannt. 1965 war Ellington der Pulitzer-Preis, der jährlich für publizistische Leistungen zur Bewahrung und Entwicklung der amerikanischen Demokratie vergeben wird, noch versagt worden. Gates jr. feiert Duke Ellington heute als bedeutendsten Komponisten der Jazzgeschichte.

Gerade wurde bekannt, dass die amerikanische Bürgerrechtsbewegung National Association For The Advancement Of Colored People (NAACP) für ihre so genannten Image Awards in diesem Jahr auch wieder einige Jazzmusiker nominiert hat. Dass darunter ausschließlich Mainstream-Künstler wie Marcus Miller, Kenny Garrett und The Preservation Hall Jazz Band zu finden sind, passt zur offiziellen Selbstdarstellung des heutigen schwarzen Amerikas. Gut wären demnach nur die Sichtbaren und die vom Mainstream und der Öffentlichkeit Anerkannten.