Zu Gast bei den Sandinisten: Der Lila Drache aus der Kaderschmiede

Ja, sie lebt noch. Und jetzt ist sie auch mal wieder öffentlich aufgetreten: Nicaraguas Präsident Ortega hat Margot Honecker den Orden Rubén Darío verliehen.

Wirken wie alte Freunde: Daniel Ortega und Margot Honecker : dpa

Apart schaut sie aus, noch immer. Weißes Haar, dunkles Oberteil, ihre Augen lächeln. Hieße die Frau, die am Wochenende in Managua auftrat, nicht Margot Honecker - wenige würden sich dafür interessieren, wen Nicaraguas Präsident Ortega zur Revolutionsfeier eingeladen hatte. Erstmals seit vielen Jahren trat die 81-Jährige öffentlich auf, um den Orden Rubén Darío entgegenzunehmen. Der wurde ihr verliehen, weil die DDR viel für die junge sandinistische Regierung getan hat: Die Währungen hießen Waffen und Bildung. Einst wurde Margot Honecker öfter geehrt, als Bildungsministerin bekam sie sowohl den Vaterländischen Verdienstorden als auch den Karl-Marx-Orden und die Ehrendoktorwürde verliehen. Diesmal aber wurde mit ihr auch ihr verstorbener Mann Erich geehrt: "Er war so solidarisch, so besonders, so liebevoll zum freien Volk von Nicaragua." Die Ostdeutschen hatten andere Erfahrungen mit ihm gemacht. Und mit seiner Frau.

Margot Honecker, Jahrgang 1926, hat eine atemberaubende politische Nachkriegskarriere hingelegt. So grandios die Bedingungen in der jungen DDR für Frauen wie sie waren, so sehr hat sie am Ende verkörpert, wogegen die Menschen 1989 aufstanden: eine Kaderfrau, unsensibel für gesellschaftliche Entwicklungen, paranoid und, wenn nötig, brutal.

1949, mit nur 22 Jahren, zog die Tochter eines Hallenser Schuhmachers in die Volkskammer ein. Nachdem sie 1953 Erich Honecker geheiratet hatte, ging ihre Karriere steil bergauf. Die Stenotypistin wurde 1958 Vizebildungsministerin, 1963 schließlich Ministerin für Volksbildung. Sie blieb es bis zur Wende 1989.

Ihre kompromisslose Art war gefürchtet. "Miss Bildung" war eine gängige Schmähung, "Lila Drache" eine andere. Um Sympathie hat sich die Frau mit den blau getönten Haaren nie bemüht, wohl aber um Respekt. Den verschaffte sie sich mit Entscheidungen, die den Alltag von Lehrern, Schülern und Eltern beeinflussten. Schule war in der DDR ein durchorganisierter Apparat, der aus Kindern Kader formen sollte. Wer nicht parierte, flog. Ihre folgenschwerste Maßnahme war 1978 die Einführung des Wehrkundeunterrichts in der Oberstufe.

Nach dem Ende der DDR begann eine mediale Hetzkampagne gegen sie und ihren Mann. Am 11. Dezember 1991 flüchtete das gestrauchelte Potentatenpaar in die chilenische Botschaft nach Moskau. Während Erich Honecker den deutschen Behörden ausgeliefert wurde, konnte Margot 1992 zu ihrer in Chile lebenden Tochter ausreisen. 1993 durfte er ihr folgen, im Jahr darauf starb er. Seine Witwe verkörpert für viele Ostdeutsche bis heute das, was schwer zu ertragen war an diesem Land.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.