Gedenken: Eine Linde für die Toten

Am Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige pflanzt die Aidshilfe eine Linde am Oranienplatz. Gegen den bundesweiten Trend sinkt in Berlin die Zahl der Opfer.

Die weißen Lufballons sind mit Helium gefüllt und mit bunten Zetteln gehaftet. Darauf steht: "21. Juli Gedenktag für Drogenopfer". Rund 70 Menschen haben sich am Montag am Kreuzberger Oranienplatz um eine kleine Linde versammelt: zu einer Gedenkfeier, die der Initiativkreis 21. Juli gemeinsam mit der Aidshilfe, dem Notdienst Berlin, den Vereinen JESBerlin und Fixpunkt organisiert hat.

Zum Gedenken an die Drogentoten hat der Initiativkreis eine Linde gepflanzt, an der eine Tafel hängt. Mit diesem "Lebensbaum" solle ein Zeichen gesetzt werden, sagt Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ergänzt, als sie die Tafel enthüllt: "Jeder Mensch der am Konsum von Drogen stirbt, ist einer zuviel." Notwendig sei ein gut ausgebautes Hilfesystem, um Wege aus der Abhängigkeit zu finden, Alternativen aufzuzeigen und die Menschen zu befähigen, neue Perspektiven zu entwickeln. In Berlin gebe es dazu unter anderem "niedrigschwellige Hilfen" wie Kontaktläden, Drogenkonsumräume, Übernachtungseinrichtungen und "Streetwork". Zu den Angeboten zähle auch die Substitution mit Methadon.

Ingo Michels, Leiter der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, weist in seiner Rede darauf hin, das bundesweit die Zahl der Drogentoten wieder ansteigt, nachdem sie in den sechs Jahren zuvor gesunken war. Im Jahr 2006 gab es 1.296 Drogentote. Im vergangenen Jahr wurden 1.394 Drogentoten gemeldet. Im Gegensatz dazu sei die Zahl der Drogentoten in Berlin aber immerhin wieder um 8,7 Prozent gesunken, ergänzt Michels - von 173 Drogenopfern auf 158. Das läge an den gut ausgebauten Drogenkonsumräumen, lobt er. Dort können die Abhängige unter medizinischer Aufsicht iniziieren und weiterführende Hilfe annehmen. Vergangenes Jahr ist die Substitionsbehandlung von drei Tausend Abhängigen beansprucht worden. In seiner Ansprache bei der Gedenkfeier ruft Michels zu "Mut zur Betroffenheit" auf, denn "die Betreuungssysteme in Berlin bieten gute Angebote für Aussteiger". Laut Michels sterben an Drogen vor allem Ältere, die seit vielen Jahren konsumieren. Ihr Durchschnittsalter beläuft sich auf 40 Jahre. Besonders in Bayern ist die Zahl der Drogentoten um 27 Prozent gestiegen.

Bundesweit haben am Montag in mehr als 40 Städten Gedenkveranstaltungen stattgefunden. Der Gedenktag wird seit 1998 begangen. Er hat sich von einer Veranstaltung mit kommunalem Charakter zum größten bundesweiten Gedenk-, Protest- und Aktionstag für Drogenkonsumenten entwickelt.

Nach den Reden am Oranienplatz lassen die Teilnehmer der Gedenkfeier die Luftballons zum Himmel steigen. Im Hintergrund läuft Musik: "Berlin ist öde und dunkel ohne dich".

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