Schwimmer Christian Kubusch: Ein Musterprofi mit Manko

"Ich war eine Trainingsschlampe": Christian Kubusch soll die deutsche Tradition auf den langen Strecken wiederbeleben - doch Olympia in Peking ist ein wenig früh.

Kubusch bejubelt seinen 800-Meter-Rekord. : dpa

Für seinen Start bei Olympia ließ Christian Kubusch zuletzt bis zu 90 Kilometer Wasser hinter sich - jede Woche. Und trotzdem weiß er: Nach wie vor kann jede Trainingseinheit, jede gekraulte Bahn über entscheidende Hunderstelsekunden bei den Sommerspielen in Peking entscheiden. Daher erbittet er sich noch etwas Zeit, "20 Minuten ausschwimmen". Schließlich sei dies "wichtig für die Regeneration des Körpers" - spricht's und verschwindet im warmen Wasser der Elbeschwimmhalle in Magdeburg.

Gerade noch hat er die 1.500 Meter beim 18. Schwimmfest vor wenigen hundert Zuschauern zurückgelegt - unterstützt von vereinzelten "Kubi"-Rufen auf den Rängen und verfolgt von einem Kamerateam des MDR. Zumindest in Sachsen-Anhalt ist der 20-Jährige eine lokale Größe.

Am 9. August in Peking wird das Ambiente ein gänzlich anderes sein: 16.000 werden ohrenbetäubenden Lärm machen, die Bilder seiner Starts über 400 und 1.500 Meter gehen an Länder in aller Welt.

Diese langen Distanzen waren durchaus einmal eine deutsche Stärke. Uwe Daßler wurde für die DDR 1988 Olympiasieger über 400 Meter, für die BRD gewannen Reiner Henkel, Thomas Fahrner oder Jörg Hoffmann immer wieder Medaillen.

Doch dieser Tage ist der 1,95 Meter große Kubusch die einzige männliche Hoffnung des DSV auf den langen Distanzen. Eine Hoffnung für die Zukunft allerdings. Mit wirklich guten Ergebnissen schon in Peking rechnet er selbst nicht: "Jetzt schon von Platzierungen zu reden, wäre überheblich." Und doch: Im April in Berlin wurde er Deutscher Meister über 800 und 1.500 Meter Freistil, Ersteres mit neuem deutschen Rekord. Aber Olympia 2008 sei für ihn "noch zu früh, um nach Medaillen zu schielen", meint da auch eine Zuschauerin auf der Tribüne. Das nächste Ziel hat Kubusch aber schon fest im Blick: So wird seine Rekorddistanz zwar nicht bei Olympia geschwommen, aber "nächstes Jahr ist ja wieder eine WM". Schon da könnte er endgültig in die Weltspitze vorstoßen.

Auf das Erlebnis, neben den Besten der Welt ins Becken zu springen, arbeitet Kubusch seit Monaten hin. Wer hört, wie der gebürtige Geraer von der Intensivierung des Trainings berichtet, wie er erklärt, man müsse "schon etwas bekloppt sein", um das harte Training durchzustehen, kommt schnell in die Versuchung, von einem Musterprofi zu berichten. Doch er kann auch anders. Konnte auch anders. "Ich war eine richtige Trainingsschlampe", sagt er, wenn er auf seine Jugend zurückblickt. Im Training sei er "nur hinterhergeschwommen" und wollte nicht einsehen, warum man außerhalb von Wettkämpfen seine volle Leistung bringen sollte.

Damals war Kubusch 12 Jahre und in der 6. Klasse des Erfurter Sportgymnasiums. Kaum Motivation, zu wenig Training - nicht gerade die optimalen Voraussetzungen, um im Leistungssport aus der Masse talentierter Schwimmer herauszustechen. Ähnlich sahen es auch die Verantwortlichen des Internats, Kubusch stand kurz vorm Rausschmiss. "Irgendwie habe ich mich dann aber doch noch ein Jahr durchgemogelt", erzählt er. Kein schelmisches Grinsen, kein überlegend schauender Blick huscht über sein Gesicht. Kubusch weiß: Mit etwas Pech hätte seine Karriere schon damals zu Ende sein können.

Doch es kam die 7. Klasse, und Kubusch wurde deutscher Juniorenmeister über 200 Meter Rücken. Ein Wendepunkt zum Positiven: Der Gescholtene hatte seinen Internatsplatz sicherer denn je und wechselte erst 2003 ans Magdeburger Sportgymnasium.

Einem körperlichen Manko hat es Kubusch zu verdanken, dass er überhaupt zum Schwimmsport fand: Das Training im Wasser sollte gegen eine leichte Hüftfehlbildung helfen, die Folgen lindern. Mutter Elke dachte, Schwimmen sei eine gute Lösung: schließlich benötigt man nur Handtuch und Badehose, damit es losgehen kann.

"Es ist dann doch etwas mehr geworden", sagt Kubusch grinsend. Dabei sieht er sich in der kälter werdenden Schwimmhalle um. Die meisten Zuschauer sind längst gegangen, ein paar Männer stehen noch Kippe rauchend vor dem Gebäude. Einer fragt: "Hast du gesehen, wie durchtrainiert der ist? Der holt schon jetzt in Peking eine Medaille." Kubusch, ehemals Trainingsschlampe, hält dies für verfrüht - doch er arbeitet weiter: Bei Olympia 2012 und 2016 möchte er wieder dabei sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.