Kommentar: Zieht euch warm an
Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin meint, bei weiter steigenden Energiepreisen, werden die Menschen zum Pullover greifen. Er hat recht.
Nun hat er wieder zugeschlagen. Der Zyniker. Der Menschenfeind im Kostüm des Sozialdemokraten. Der Finanzsenator Thilo Sarrazin. Diesmal hat er nicht Hartz-IV-Empfängern vorgerechnet, dass sie zur Not von der Hand in den Mund leben könnten. Diesmal hat er dicke Pullover als Mittel zur Heizkostensenkung genannt. Und von der Linkspartei bis hin zur CDU schreien alle auf: Das ist unsozial! Dabei übersehen sie eins: Der Mann hat recht.
Weil die Energiekosten steigen, werden Flugreisen teurer. Und jeder überlegt sich, ob er die nächste Fernreise cancelt. Weil die Energiekosten steigen, wird Benzin teurer. Und jeder überlegt sich, ob er vom Auto aufs Rad steigen soll. Weil die Energiekosten steigen, wird der Betrieb einer Klimaanlage zum Luxus. Und jeder fragt sich, ob er vielleicht einfach mal das Fenster öffnen sollte. All dies ist ökonomisch nachvollziehbar, ökologisch absolut begrüßenswert - und auch sozialpolitisch nicht umstritten. Denn die meisten werden dennoch weiter fliegen, Auto fahren und das Raumklima elektrisch regulieren. Auch wenn das ökologisch bedauerlich ist.
Das Gleiche gilt für die Heizkosten. Würden sie tatsächlich auf die Höhe der Mieten stiegen, wird sich jeder fragen, ob er nicht einen warmen Pullover anziehen soll. Das ist ökonomisch gedacht, ökologisch sinnvoll - und sozialpolitisch wird es erst zum Skandal, wenn diese Überlegung nicht freiwillig erfolgt. Davon aber hat Sarrazin nicht gesprochen. Im Gegenteil betont er stets: Heizkosten werden den Hartz-IV-Empfängern erstattet.
Hier muss man Sarrazin tatsächlich beim Wort nehmen. Zu Recht fordert die Linke eine Überprüfung der Heizkostenpauschalen im Herbst. Denn es muss sichergestellt werden, dass die Ärmsten der Stadt jederzeit die Heizung aufdrehen können, wenn es ihnen notwendig erscheint, ohne auf den Kosten sitzen zu bleiben. Dann können sie immer noch freiwillig sparen und aus ökologischen Gründen einen Pullover überziehen. Genau wie alle anderen auch.
Leser*innenkommentare
Dietmar Brach
Gast
Dieser Mann braucht Hilfe
Die Frage ist nicht, ob die SPD noch die richtige Partei für Sarrazin ist. Keine Partei, auch nicht die SPD, ist in der Lage so etwas zu leisten. Dafür gibt es Fachärzte und Fachkliniken. Schlimm ist nur das die SPD zulässt, dass Herr Sarrazin von der Presse öffentlich vorgeführt wird. Dies ist weder sozial noch demokratisch. Ein Mensch der Hilfe braucht, sollte diese auch erhalten. Ein übersteigertes Selbstwertgefühl ist heute ebenso behandelbar wie chronische Gefühlskälte.
Ich wünsche Herrn Sarrazin gute Besserung