Im Sport wie auf dem Weltmarkt: Verlieren ohne Gesichtsverlust

Chinesen und Amerikaner gehen beim olympischen Basketball wie in der Industrieproduktion erstaunlich gelassen mit ihren Niederlagen gegenüber der jeweils anderen Nation um.

Gegner im Sport, Freunde beim Feiern. So solls sein. Bild: dpa

PEKING taz Was kann das Ergebnis eines olympischen Basketballspiels mit der Prognose für die Industrieproduktion im nächsten Jahr verbinden? Die Einsicht, dass die USA und China jeweils den anderen gewinnen lassen können, ohne zu verlieren.

Wie das geht, zeigte das chinesische Publikum beim Basketballspiel zwischen China und den USA. Vorher hatte es in den chinesischen Medien viele unnötige Spekulationen gegeben, ob die heimische Mannschaft um ihren in den USA spielenden Superstar Yao Ming den favorisierten Amerikanern nicht doch ein Bein stellen könnte. Doch nichts da: Die NBA-Helden düpierten die Chinesen mit 101:70. Wie aber reagierte das Publikum? Mit chinesischen "Wa"- und "Wo"-Rufen der Bewunderung für die amerikanischen Stars. Als die US-Spieler die Halle verließen, erhielten sie stehenden Applaus - eine Geste, die andeutete, dass viele Chinesen im Wettstreit mit den USA nicht alles erreichen wollen. Dass sie bereit sind, die Übermacht der USA in positiver Weise anzuerkennen, etwa im Basketball.

Auch aus den USA kommen Signale der Entspannung gegenüber China. Gerade meldete dort die US-Wirtschaftsberatungsfirma Global Insight, dass die USA im kommenden Jahr erstmals seit hundert Jahren ihren Status als größtes Industrieland der Welt verlieren werden - und zwar an China. In diesem Jahr werden die USA noch 16,9 Prozent der Weltindustrieproduktion stellen und China 15 Prozent. Schon im nächsten Jahr werden beide Länder die Positionen tauschen, und China jenen Platz wieder einnehmen, den es zuletzt vor 170 Jahren innehatte, als die chinesische Porzellan- und Seidenproduktion noch den Weltmarkt dominierte. Doch verzweifelt man darüber in den USA? Eben nicht.

Der Trend sei "unvermeidlich", sagt John Engler, Präsident des Industrieverbandes der USA. "Dies sollte eine gesunde Entwicklung für die USA sein, weil sie sowohl Stabilität für die größte Wirtschaft der Welt verspricht als auch weitere Export- und Investitionsmöglichkeiten in der am schnellsten wachsenden Wirtschaft der Welt."

Engler teilt damit die Einsicht, dass die USA nicht in allen Bereichen China überlegen sein müssen, zum Beispiel nicht bei der Menge der Industrieproduktion. Viele im Westen sind anderer Meinung. Sie setzen den Aufstieg Chinas schnell mit dem Niedergang des Westens gleich. Aber auch der bekannte US-Ökonom Jim Womack widerspricht: "Es ist sehr leicht, den absoluten Wert der nationalen Wirtschaftsproduktion der USA, der in fast allen Branchen immer gestiegen ist, mit dem Anteil an der Weltproduktion zu verwechseln, der auf die Dauer fallen musste." Womack deutet damit an, dass die USA China in den nächsten Jahren in vielen Wirtschaftsbereichen den ersten Platz abtreten müssen. Schon weil China schneller wächst und in vieler Hinsicht größer als die USA ist. Umgekehrt gilt: Beim Basketball werden die Chinesen noch auf Dauer keine Chance gegen die USA haben. Gut, wenn sich beide Seiten ihrer Grenzen bewusst sind und auf falsches Kräftemessen verzichten.

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