HR-Sportjournalistenprozess: Alle wollen Opfer sein
Beim Korruptionsprozess gegen den ehemaligen HR-Sportchef Jürgen Emig belastet dieser erneut seinen Sender - und auch andere ARD-Anstalten.
Plötzlich steht der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), Jürgen Emig, mit seinen Problemen ganz allein da. "Ich hätte ihm nicht so grenzenlos vertrauen sollen", sagt Harald Frahm. Und weiter: "Rückblickend muss ich sagen, dass ich mit ihm gar nicht erst irgendwelche Geschäfte hätte machen sollen." Patsch! Da ließ er seinen einstigen Kumpel wie ein nasses Handtuch fallen.
Der Gehilfe Frahm
Emig und sein ehemaliger Geschäftspartner Frahm sitzen an diesem Dienstag das zweite Mal vor der 12. Strafkammer für Wirtschaftsdelikte des Landgerichts Frankfurt am Main. Emig, dem Ex-ARD-Hierarchen, wird Betrug, Bestechlichkeit im Amt und Untreue vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass er zwischen 2000 und 2004 Provisionen in Höhe von mehr als 600.000 Euro kassierte - für Sportveranstaltungen, die er seinem Sender samt Sponsoring organisierte.
Frahm soll dabei der Gehilfe gewesen sein - und versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen: Der bestimmend auftretende Graumelierte spielt das Opfer. Zwar räumt Frahm ein, einst selbst die Agentur SMP gegründet zu haben, über die vier Jahre lang die dubiosen Geschäfte abgewickelt wurden. Er sagt aber auch: "Ich habe die Vorgänge nur administrativ abgewickelt, mir über die Inhalte aber keine Gedanken gemacht."
Das Gericht glaubt ihm nicht. Ob Frahm sich denn nicht gewundert habe, wenn seine Agentur von Veranstaltungspartnern und Sponsoren für ein vom HR übertragenes Event 160.000 Euro einnahm, der Sender aber nicht einmal die Hälfte abrief? Und ob es nicht merkwürdig gewesen sei, wenn sechsstellige Jahresüberschüsse übrigblieben? Frahm: "Ich bin davon ausgegangen, dass der Sender über alles im Bilde war."
Auf mehrfache Nachfrage des Gerichts sagt Frahm schließlich, er habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gemeinsamen Geschäfte "mit Blick auf das Ergebnis vielleicht verdrängt". Als die Staatsanwaltschaft ihm handschriftliche Notizen vorhält, aus denen hervorgehe, dass er zumindest in einzelnen Fällen die Berechnungen vorgenommen habe, erklärt Frahm: "Alles wurde von Emig vorgegeben. Ich hatte doch keine Ahnung." Emig zuckt nicht einmal.
Dennoch: Frahm will kein Täter sein. Auch wenn man ihm, der mehr als ein Jahrzehnt als Chef des Deutschen Tanzsportverbandes mit der ARD Geschäfte machte, das nicht abnehmen will, lohnt es sich, ihm zuzuhören. Denn Frahm berichtet von einem Besuch des Leiters der HR-Revision. Dem habe er alle Einzelheiten über die SMP erläutert - und dessen Segen bekommen. "Ich habe ihm rübergebracht, dass Herr Emig für alle Geschäfte der Entscheidungsträger war - ich habe doch gar nicht die Befugnis gehabt", so Frahm. Sollte dem so gewesen seien, bedeutet das: Der HR wäre in voller Kenntnis über die Praktiken Emigs und der SMP gewesen, an der auch Emigs Frau beteiligt war.
Emig selbst räumt wie schon zum Prozessbeginn mehrere Fehler ein, betonte aber zugleich, ihm sei erst mit Aufnahme der Ermittlungen überhaupt bewusst geworden, dass er sich strafbar gemacht haben könnte. Emig schiebt dem Sender eine Mitschuld zu, die mit Frahms Aussagen freilich an Brisanz gewinnt. Zu den von den Ermittlern registrierten Differenzen zwischen vereinbarten Leistungen und gebuchten Erträgen sagt Emig: "Da hätte ja mal jemand kommen und fragen können, was das für Erträge sind - aber da kam keiner."
Vor allem dem HR-Controlling, aber auch der Produktionsleitung oder der Chefredaktion hätten Mängel in der "eigenwilligen Buchhaltung" (Zitat Emig) auffallen können. "Für kaufmännische Dinge gab es andere Strukturen im Haus - ich war Journalist und wollte die Veranstaltungen auch als solcher über die Bühne bringen", so Emig. Er habe zudem an "keinen Abschlüssen mitgewirkt", betont aber auch: "Ich habe mich mit hohem Einsatz für den HR engagiert." Dabei habe er sogar Werbegelder für den Bayerischen Rundfunk akquiriert.
Zeuge von der Saar
Auch Emig wäre also gerne ein Opfer. Dabei stützt ihn nicht nur Frahm, sondern auch Martin Buchhorn. Der Ex-Fernsehspiel-Chef des Saarländischen Rundfunks hat sich dem Gericht nämlich von sich aus als Zeuge angeboten. Laut Notiz des Vorsitzenden Richters will er Auskunft darüber geben, wie von ihm gefordert worden sei, Schleichwerbung in Produktionen vom "Tatort" bis zum ARD-Vorabendprogramm einzubinden.
Das wiederum hätte eine neue Qualität: Nicht nur beim HR, sondern auch andernorts in der ARD hätten Programmverantwortliche selbst für Einnahmen sorgen müssen. Damit würde aus dem System Emig nicht nur möglicherweise ein System HR, sondern gleich ein System ARD werden. Gruselig, das alles.
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