Deutsche Fußballerinnen raus: Ein bisschen Gefühl hat nicht gereicht
Aus dem Turnier gefegt: Die deutschen Fußballerinnen, die bislang kein Olympia-Gegentor kassierten, verlieren das Halbfinale gegen Brasilien mit 1:4.
SHANGHAI/BERLIN taz So oder so stand schon vorher fest, dass sich das richtige Olympia-Feeling für die deutschen Fußballerinnen erst nach diesem Halbfinale einstellen würde. Denn bislang ist die Nationalmannschaft durch China getingelt wie vor elf Monaten bei der Weltmeisterschaft, die sie schließlich in Shanghai gewann. Erst die Spiele um die Medaillen führen das Team nun endlich nach Peking und ins olympische Dorf. Und bekanntlich ist es das, was den Sportler als solchen in besonderer Weise begeistert: im olympischen Dorf auf andere Sportler zu treffen und sich auf die Suche nach dem olympischen Geist zu machen.
Doch vermutlich haben die Spielerinnen nun nicht mehr so richtig viel und ungetrübte Freude an Pekingente in der Mensa. Denn sie spielen am Donnerstag im Pekinger Arbeiterstadion nicht, wie es fest eingeplant war, um Gold, sondern nur um Bronze. Trainerin Silvia Neid trog ihre Intuition, nach dem gewonnen Viertelfinale hatte sie noch gesagt: "Wir haben den absoluten Willen, ins Finale zu kommen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir das schaffen."
In der harten Wirklichkeit sind die Fußballerinnen nun zum wiederholten Mal bei Olympia vorzeitig gescheitert; es bleibt dabei: Die Mannschaft gewinnt Weltmeisterschaften, aber sie erreicht kein Olympia-Finale. Diesmal war gegen Brasilien im Halbfinale Schluss. Die Südamerikanerinnen schlugen die Deutschen gestern am frühen Abend 4:1.
Es ist ein bemerkenswertes Spielergebnis, an das sich die Mannschaft um Superstar Marta sozusagen herangetastet hat. Im WM-Finale vor knapp einem Jahr, ebenfalls in Shanghai, waren die Brasilianerinnen den Deutschen noch 0:2 unterlegen, im Auftaktspiel des olympischen Turniers konnten sie im Gruppenspiel gegen Deutschland wieder kein Tor schießen, kassierten aber immerhin auch keines. Nun trafen sie gleich viermal. Und das gegen Nadine Angerer, die Torhüterin, die in knapp1.000 Turnierminuten und 10 Spielen in Folge bei Weltmeisterschaft und Olympia kein einziges Gegentor kassiert hatte.
Für die deutsche Mannschaft, die in ihrer in Stein gemeißelten 4-2-3-1-Grundformation Linda Bresonik (Bänderriss) auf der linken Abwehrseite durch Babett Peter ersetzen musste, begann das Spiel dabei vielversprechend. Nach zehn Minuten nutzte Birgit Prinz einen Abwehrfehler der defensiv aus Prinzip nicht sehr gefestigten Brasilianerinnen zum 1:0. Es war Prinz erstes Turniertor und erst der fünfte Treffer der Mannschaft im fünften Olympia-Spiel.
Bis zu dieser Partie war diese bedenkliche Offensivschwäche kompensiert worden durch die disziplinierte Defensivarbeit, mit einem Stellungsspiel, das jeden Gegner früher oder später mürbe machte. Und insbesondere Marta schien im Halbfinale alsbald zu befürchten, es würde wieder so kommen. Marta tat, was sie immer tut, wenn es nicht läuft bei ihr und ihrem Team, sie spielte hart und unfair bis an die Grenze des Vertretbaren, oder auch schon darüber hinaus.
Für die Gesundheit der deutschen Spielerinnen war es also eher gut, dass die Brasilianerinnen schon in der ersten Halbzeit immer besser ins Spiel kamen und kurz vor der Pause Formiga auf Zuspiel von Cristiane und Marta dieses, nun ja: schon halbwegs historische Tor gegen Angerer erzielte.
Da dem bereits in der 49. Minute in Koproduktion von Marta und der in diesem Turnier herausragenden Cristiane die brasilianische Führung folgte, konnte man in der zweiten Halbzeit die Möglichkeit studieren, was dieser deutschen Mannschaft noch einfällt, wenn sie denn erst einmal in Rückstand gerät. Die Antwort an diesem Tag: nichts. Es war, als gebe es keinen Plan B, keine spielerische Alternative, keine Taktik, auf die die Mannschaft umstellen könnte.
Weil aber die Brasilianerinnen technisch sowieso und nun auch an Spiellaune hoch überlegen waren, zerlegten sie die deutsche Abwehr anschließend genüsslich: Marta machte das 3:1, Cristiane das 4:1. Sie allein hat im Turnier bisher ebenso viele Tore geschossen wie die gesamte deutsche Mannschaft. Aber nicht sie allein machte in diesem Spiel den Unterschied. TAK
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