Gift auf Tafeltrauben

Greenpeace warnt vor extremen Rückständen auf Supermarktware. Hygiene-Institut bestätigt Probleme

Greenpeace hat auf Tafeltrauben aus dem Supermarkt hohe Giftrückstände gefunden. Die Spritzmittelbelastung sei zum Teil so hoch gewesen, dass sie Kinder krank machen könne, teilte die Umweltorganisation mit. In Hamburg hat das Institut für Hygiene und Umwelt bereits im vergangenen Jahr Proben beanstandet, weil die zulässigen Höchstmengen deutlich überschritten wurden. „Wir finden auch, dass es da Probleme gibt“, bestätigte Manfred Kutzke, Leiter der Abteilung für Rückstände und Kontaminanten, gegenüber der taz. Eine Gefahr für die Verbraucher sei daraus aber nicht ohne weiteres abzuleiten.

Greenpeace hatte 77 Trauben-Proben aus Supermärkten der Ketten Edeka, Lidl, Metro, Rewe und Tengelmann in acht Großstädten analysieren lassen. „Nie zuvor fand Greenpeace derart gefährliche Giftmengen im Obst“, sagte Manfred Krautter, Chemieexperte der Organisation. „Würde ein zwölf Kilogramm schweres Kind stark belastete Trauben von Tengelmann essen, wäre schon nach vier Trauben eine akute Schädigung des Hormon- oder Nervensystems zu befürchtet.“ Wer solche Früchte verkaufe, sei fast schon als kriminell zu bezeichnen.

Das Hygiene-Institut hat seine diesjährigen Trauben-Proben noch nicht ausgewertet. Im vergangenen Jahr beanstandete es jedoch zwölf von 44 untersuchten Proben. Daraus eine Gefährdung der Verbraucher abzuleiten, sei für das Institut allerdings schwierig, sagte Kutzke. Denn dafür fehle der rechtliche Rahmen: Wie zu berechnen sei, ob die „Akute Referenzdosis für Pestizidwirkstoffe“ überschritten ist, mit der die Umweltschützer ihre Risikobewertung begründen, sei noch nicht verbindlich geregelt. „Greenpeace ist da freier“, so Kutzke.

Der Gutachter der Umweltschützer stützt sich auf eine Verzehrsmengenstudie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), in der ermittelt wurde, wie viel zwei- bis fünfjährige Kinder von einem bestimmten Lebensmittel üblicherweise essen. Als Maßstab für das Risiko verwendete er die akuten Referenzdosen des BfR sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die angeben, wie viel jemand mit einem bestimmten Körpergewicht pro Tag von einem Stoff aufnehmen kann, ohne seine Gesundheit zu gefährden. Daraus errechnete er mit verschiedenen Verfahren, wie oft mit den Proben die kritische Dosis zum Beispiel für ein zwölfjähriges Kind überschritten worden wäre. Ergebnis nach der von Greenpeace gewählten konservativen Berechnungsvariante: in elf von 77 Fällen.

Die Berechnungen beziehen sich jeweils nur auf einen Stoff. Mehrfachbelastungen, wie sie häufig festzustellen sind, wurden nicht erfasst. Gerade die Giftcocktails auf dem Obst, deren Bestandteile auf weitgehend unerforschte Weise auf- und miteinander wirken, sind aber auch aus Sicht der staatlichen Umweltkontrolleure ein Problem. „Das ist in der Gesetzgebung nicht adäquat berücksichtigt“, findet Kutzke.

Greenpeace fordert, dass endlich eine verbindliche Berechnungsvariante vereinbart werden müsse. Krautter: „Es ist sinnlos, Grenzwerte festzulegen, wenn keiner weiß, wie deren Überschreitung zu berechnen ist.“ Gernot Knödler