Pekings Bausünden: Grobe Fehler, die zu lange nachwirken

Wer beim Besuch in Peking auf schöne und beständige Architektur hofft, der wird enttäuscht. Dafür gibt es Grau, Stau und zwischen dem Verkehrschaos jede Menge Baustellen.

Grau in Grau statt bunter Spiele. Bild: dpa

Eine schöne Hauptstadt sieht wahrlich anders aus. Wer noch tief beeindruckt von den vom Star-Architekten Norman Foster entworfenen Flughafenterminal mit den elegant geschwungenen chinesischen Dächern von Nordwesten über die Stadtautobahn rauscht und erwartet, diese moderne Ästhetik, vermischt mit traditionellen chinesischen Elementen, setze sich in der Innenstadt fort, wird enttäuscht. Bald sitzt er im Stau und schaut auf die grauen, einfallslosen Glasklötze an der 16-spurigen heillos verstopften Ringstraße am neuen Geschäftszentrum Dongzhimen.

Peking hat im Zuge der Olympischen Spiele einen seiner größten Stadtumbauten in seiner 1.000-jährigen Geschichte erlebt. Das größte Problem der Stadtplaner: Sie sind vor allem damit beschäftigt, die Fehlentwicklungen der vergangenen drei Jahrzehnte zu korrigieren.

"Im Zentrum werden zu viele Hochhäuser gebaut", befand jüngst Zhou Zhengyu, Vizedirektor des Pekinger Verkehrsbüros, in einem Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung. Diese neuen Gebäude sähen zwar chic aus, würden aber die Transportinfrastruktur zu sehr belasten. Auch der hohe Zeitdruck bei den Olympiavorbereitungen habe zu städteplanerischen Entscheidungen geführt, die für eine Stadt wie Peking "verheerend" seien, so Zhou. Eine sehr gewagte Kritik für einen offiziellen Regierungskader? Zhou spricht nur das aus, was niemand mehr abstreiten kann: Wegen der verfehlten Stadtplanung der vergangenen Jahrzehnte versinkt Peking im Verkehrschaos. Ab nachmittags um vier ist Peking flächendeckend ein Parkplatz.

Dabei galt Peking jahrhundertelang als Inbegriff einer wohl geordneten, symmetrischen Stadt. Schon Marco Polo staunte über ihre "Schönheit" und die "Gleichförmigkeit". Auf rund 700.000 Quadratmetern rund um die Verbotene Stadt standen im Raster von exakt 25 Meter breiten Hauptstraßen und exakt halb so breiten Nebenstraßen eine Vielzahl eleganter Hofhäuser. Bei diesen Gebäuden handelte es sich um Höfe, die in allen vier Himmelsrichtungen von einstöckigen Häusern umgeben waren. Eine Idylle in der damals schon übervölkerten Stadt.

Die erste große Abrisswelle begann mit Mao Zedongs Machtübernahme 1949. Er ließ die alten Stadtmauern durch Ringstraßen ersetzen. Die besonders prunkvollen Hofhäuser wurden als bourgeois abgetan, und so beschloss Mao bereits in den 1950er-Jahren Pekings Altstadtgassen nach und nach abzureißen. Hier wurden mehrstöckige Plattenbauten hingesetzt, die in vielen Bezirken das Stadtbild dominieren.

Besonders verheerend wirkte sich aber Pekings erste Wachstumsphase in den 1980er-Jahren aus. Damals erkor der damalige Staatsführer Deng Xiaoping das Auto als erstrebenswertes Transportmittel. Breit angelegte Fahrradwege mussten mehrspurigen Autostraßen weichen. Die Grundlagen für den täglichen Verkehrkoller waren gesetzt.

Heute herrscht in Peking über das gesamte Stadtgebiet ein unkontrollierter Bauwahn. Entlang des ChangAn-Boulevards, der großen Ost-West-Achse, die am berühmten Südtor mit dem Mao-Bild die Verbotene Stadt passiert, gilt noch ein Höhenlimit. Aber bereits hinter dem dritten Ring schießen die Türme in die Höhe. Vor allem im Osten der Stadt entstehen hunderte gigantische Wolkenkratzer, so auch der im Bau befindliche Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens CCTV. Der 243 Meter hohe Doppelklotz soll zwar erst 2009 bezugsfertig sein. Aber schon für den Bau werden täglich 10.000 Arbeiter herangekarrt. Wenn dann später täglich Zehntausende täglich zur gleichen Zeit morgens das Gebäude betreten und es abends zur gleichen Zeit wieder verlassen, ist das Chaos vorprogrammiert. "Verkehrstechnich eine völlige Fehlplanung", sagt Liu Shaoqi, Mitarbeiter am Institut für Stadtplanung an der Peking-Universität.

Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nämlich haben Pekings Stadtplaner geschlafen. Städte wie Shanghai oder Guangzhou setzten bereits Anfang der 1990er-Jahre auf den Ausbau des U-Bahn-Systems, Peking nicht. Die Folge: Dauerstau.

"In Peking gibt es keine zentrale Stadtplanung", sagt Liu. Keiner der insgesamt acht Innenstadtbezirke würde über seine Grenzen hinausblicken. Alle eiferten danach, eigene Stadtzentren zu erschaffen. Die Folge: Einige Straßen würden hinter der Bezirksgrenze einfach enden.

Ein weiteres Problem sieht Liu in der geringen Halbwertszeit der neuen Gebäude. Erst 1998 wurde die Einkaufsstraße Xidan mit ihren glitzernden Einkaufszentren feierlich eröffnet. Zehn Jahre später sind die meisten Bauten bereits abgerissen, neue werden hochgezogen. "Für Pekings Bauherren gibt es kein Interesse, nachhaltig zu bauen", sagt Liu. Viele der heutigen Glasbauten seien in zehn Jahren wieder hinfällig. Die Investoren sehen darin freilich eine fortdauernde Wirtschaftsentwicklung.

Die Olympischen Spiele aber werden aus städtebaulicher Sicht gut tun, ist sich Liu sicher. Vier neue U-Bahn-Linien hat die Stadt erhalten, eine Schnellbahn zum neuen Flughafen und nicht zuletzt zahlreiche neue Grünanlagen. Eine gute Entscheidung, sagt er: "Bäume werden rückblickend auch in zehn Jahren nicht als Fehlplanung angesehen."

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