Klimaschutz: Klimabilanz löst sich in Rauch auf

Der Senat lobt sich für seine Bemühungen beim Klimaschutz: Seit 1990 seien die Kohlendioxid-Emissionen um 25 Prozent gesunken. Dabei weiß die Umweltsenatorin schon länger, dass diese Berechnungen zweifelhaft sind.

Die Klimabilanz hängt auch von den Kraftwerken ab. : AP

Der Senat feiert sich für Erfolge beim Klimaschutz, die es möglicherweise gar nicht gibt. "Bereits jetzt ist Berlin Vorreiter beim Klimaschutz und hat den energiebedingten CO2-Ausstoß seit 1990 um 25 Prozent reduziert", heißt es in einer Pressemitteilung, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) bei der Vorstellung ihrer Klimastrategie im Juli verteilten. Dabei wusste Lompscher zu dem Zeitpunkt längst, dass an den Zahlen Zweifel bestehen.

Die Klimabilanz ist so etwas wie die Messlatte für Berlins Fortschritt beim Klimaschutz. Sowohl der Verbrauch der Privathaushalte, der öffentlichen Gebäude als auch von Industrie und Verkehr fließen in die Bilanz ein. Sie soll aufzeigen, wie viel Kohlendioxid die Berliner seit der Wiedervereinigung einsparen konnten.

Weil aber das Energiestatistikgesetz geändert wurde, gibt es seit 2003 eine neue Methodik zur Berechnung der Bilanz. "Die Ergebnisse vor dem Berichtsjahr 2003 sind deswegen nur sehr eingeschränkt mit denen der Folgejahre vergleichbar", heißt es in der Antwort der Umweltverwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der taz nun vorliegt. Ob Berlin also tatsächlich 25 Prozent eingespart hat oder aber nur 20 Prozent oder gar 30 Prozent, bleibt offen.

"Es gibt keine anderen Zahlen. Ganz falsch werden sie nicht sein", sagte Lompschers Sprecherin Marie-Luise Dittmar am Donnerstag zur taz. Die Umweltverwaltung bemühe sich um Aufklärung.

Bereits im Februar hatte Hartwig Berger vom Verein Berlin 21, einem Netzwerk für Nachhaltigkeit, den Senat kritisiert. Mit den derzeitigen Zahlen sei nichts anzufangen, sagte er (taz berichtete). Berger findet: Man kann nur Daten vergleichen, die auch nach der gleichen Methode berechnet wurden. Also sollte man die neueren Zahlen parallel auch nach der alten Methode von 1990 durchrechnen.

Dittmar sagte, das sei ein sehr umfangreiches Vorhaben und nicht so leicht zu bewerkstelligen. Die Senatorin habe bereits im Jahr 2007 die zuständigen Statistiker einberufen und "deutlich gemacht, dass eine Vergleichbarkeit der Daten angestrebt werden muss". Der Leiter des für die Berechnungen zuständigen Referats beim Amt für Statistik, Roland Schlösser, sagte der taz: Diese Forderung sei "schön und sicher richtig. Aber wer kann es leisten?"

In den Behörden ist man sich des Problems also schon länger bewusst. Umso mehr verwundert es, dass Wowereit und Co. die Zahlen im Juli dennoch präsentierten. Hat Lompscher ihren Chef im Vorfeld darauf hingewiesen, dass die Zahlen umstritten sind? Dittmar wollte sich dazu nicht äußern. Sie sagte: "Es war damals bereits bekannt, dass sich die Berechnungsmethoden geändert hatten."

Die Opposition reagierte harsch auf das Vorgehen des Senats. Die Grünen werfen Wowereit eine "Täuschung der Öffentlichkeit" vor. Der Senat habe bewusst verschwiegen, dass die Zahlen nicht vergleichbar sind, glaubt der klimaschutzpolitische Sprecher Michael Schäfer. "Der Senat präsentiert seine angeblichen Erfolge im Klimaschutz, um davon abzulenken, dass seine Klimapolitik eigentlich völlig unzureichend ist."

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