Westliche Zocker kaufen Gamepunkte aus Asien: Spielen und spielen lassen

Fast eine halbe Million Menschen verdient in Asien ihr Geld mit Online-Spielen wie "World of Warcraft". Sie sammeln Spielwährung und verkaufen diese in den Westen.

Hilfe aus Asien gefällig? "World of Warcraft"-Spieler Bild: dpa

Wer in Internet-Rollenspielen wie "World of Warcraft" (WoW) vorankommen will, braucht viel Zeit und Geduld: Stunden- und tagelang muss man Monster killen, virtuelles Gold einsammeln und neue Eigenschaften freispielen, um in den populären Mehrspieler-Games zu den Top-Helden zu zählen, die über eine besonders exquisite virtuelle Ausrüstung verfügen. Es geht aber auch einfacher: Auf speziellen Spielebörsen kann man sich gegen (echtes) Geld die Gamewährung kaufen und auch ganze Spielerexistenzen mit hohen Erfahrungswerten und allen wichtigen Gegenständen erwerben. Dazu reicht der Griff zur Kreditkarte.

Hinter dieser virtuellen Wirtschaft steckt ein Phänomen, das sich "Gold Farming" nennt: Spieler, die in WoW und anderen beliebten Internet-Games unterwegs sind, nur um möglichst viel Spielwährung einzusammeln und diese dann zu verkaufen. Rund um das Gold Farming hat sich insbesondere in Asien eine ganze Industrie aufgebaut - in Ländern, in denen die Arbeitslöhne niedrig sind und sich damit entsprechend günstig Zeit in den Spielewelten erkaufen lässt. Die Frucht dieser durchaus harten Bildschirmarbeit wird dann teuer an "faule" Spieler im Westen verkauft. Dies erfolgt über eigene Plattformen - und war bis vor kurzem auch auf Auktionsseiten wie eBay möglich, die inzwischen allerdings das Geschäft unterbinden, weil sie den Handel mit "virtuellen Gütern" nicht mehr zulassen.

Wie die Welt des Gold Farming tatsächlich aussieht, haben nun Wissenschaftler am Institut für Entwicklungspolitik und Management der Universität von Manchester untersucht. Die Zahlen, auf die die Studie mit dem Titel "Real World-Produktion in den Entwicklungsländern für die virtuelle Wirtschaft von Online-Spielen" kommt, sind erstaunlich: Demnach verdienen rund 400.000 vor allem junge Menschen in Gold-Farming-Unternehmen ihr Auskommen. Das Durchschnittsgehalt liege bei 100 Euro im Monat, Hauptsitz der Branche sei China, schreibt der Forscher Richard Heeks. "Gold Farmer spielen und arbeiten zur gleichen Zeit, deshalb werden sie auch "Playbourers" (Mischung aus Spieler und Arbeiter) genannt." Wirklich einfach sei der Job aber nicht: Die meisten Angestellten seien in ein Zweischicht-System mit 12-Stunden-Tagen eingespannt - sieben Tage die Woche. Neben festen Monatsgehältern wird den Playbourers manchmal auch nur ihre tatsächlich Arbeitsleistung gezahlt: So erhalten sie in einer Firma etwa 10 Yuan (1 Dollar 25) für 100 Goldmünzen, die sie sich in World of Warcraft erspielt haben. Auch gebe es vorgegebene Tagesziele, die erreicht werden müssten.

Die Arbeitsbedingungen sind laut Heeks unterschiedlich. Neben professionell aufgezogenen Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern eine erträgliche Umgebung bieten, gibt es auch regelrechte "Spielhöllen" mit schlechten hygienischen Bedingungen und schlechtem Essen. Problematisch sei auch der Druck auf den Gold Farming-Markt durch nachdrängende Arbeitnehmer: Die Jobs gelten als begehrt, was die Entlohnung insgesamt eher absinken lässt.

Versuche seitens der Spielehersteller, die Gold Farming-Industrie aufzubrechen, sind bislang weitgehend gescheitert. Zwar gibt es Softwareroutinen, die typische Muster solcher "For Profit"-Mitspieler erkennen und diese gegebenenfalls aus einem Game herauswerfen können - schließlich widerspricht das fast überall den Nutzungsbedingungen. Doch wirklich erfolgreich war die Praxis bis heute nie. Spielekonzerne wie Sony versuchen deshalb, selbst am Boom der von Kritikern als "Online-Sweatshops" bezeichneten kommerziellen Gamerei zu profitieren: Sie planen eigene Marktplätze für im Spiel erworbene Gegenstände.

Wie ein solches virtuelles Wirtschaften funktionieren kann, zeigt die 3D-Welt "Second Life": Dort gehört eine so genannte "In-Game-Ökonomie" schon seit langem zum Spielerlebnis. Wer sich sein virtuelles Heim dort mit besonders schönen Gegenständen einrichten möchte, kann sich der Arbeit von 3D-Einrichtern bedienen, die mit harter Währung zu bezahlen sind. Allerdings ist deren Job deutlich kreativer als das, was in asiatischen Gold Farming-Firmen abläuft: Dort werden tagelang Monster gekillt, während der Job eines Second Life-Designers eher dem eines virtuellen Architekten gleichkommt.

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