aus der mensa: literaturkritik mit gartenschlauch von HARALD KELLER
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„Nächstes Mal kaufe ich wieder im Internet.“ Wabble schimpft, Zornesfalten zerfurchen sein sonst so rosiges Gesicht. Die Tischgenossen sind verdutzt. Solche Gefühlswallungen kennen sie nicht von diesem Massiv aus Gleichmut und Achtlosigkeit, es sei denn, die Essensportionen wären zu klein.

„Was ist passiert?“, fragt Droll in der Hoffnung, eine ätzende Bemerkung beisteuern zu können. „Ich war gerade im Buchladen. Hatte mir Jörg Buttgereits Godzilla-Buch bestellt und musste von der Bestellabteilung bis runter zur Kasse – ein einziges Spießrutenlaufen. Die haben mich angeguckt, als würde ich ihnen gleich die Kleider vom Leib reißen.“ – „Reines Wunschdenken“, stichelt Droll.

Wabble, nun schon mal in Fahrt, tobt sich aus. „Blasierte Schnepfen sind das. Halten sich für was Besseres, weil sie sich nach Feierabend mit strunzlangweiliger Laberliteratur vom Leben abhalten.“ – „Kulturschickeria. Das gehört zum Geschäft“, ordnet Strunk die Sachlage. „Du musst dich nur mal auf einer Buchmesse umgucken – die Nasen hoch, die Reihen fest geschlossen.“ – „Dabei haben die gar keinen Grund für ihre Arroganz. Guckt euch doch mal an, was für einen Mist die ihrer Kundschaft teilweise andrehen“, weiß Geierschnabel, der im Urlaub eine Reihe von Eifel-Krimis genossen hat. „Unfassbar, wie schlecht die geschrieben sind“, berichtet der Unbestechliche. „Da heißt es zum Beispiel über einen deutschen Politiker: ‚Zeit seines Amtes hatte der hartnäckig wie ein preußischer Gartenschlauch operiert, der sich ohne Wasserdruck bemüht, aufrecht zu stehen.‘ Was soll das bitte sein: ein preußischer Gartenschlauch?“ Aller Augen richten sich auf Strunk, der in sämtlichen Heimwerkermärkten der Umgebung schon mit jeder einzelnen Schraube angebandelt hat, aber er hebt nur ratlos die schmalen Schultern. „Ist ja kein Geheimnis, dass die illiteraten Schichten längst auch die Lektorate bevölkern“, referiert Geierschnabel, der neben anderen gewichtigen Dingen 20 Semester Literaturwissenschaft auf dem gekrümmten Buckel hat. „Habe gerade einen rororo-Krimi gelesen. Da kraxelt tatsächlich jemand im First eines Gebäudes herum – und es handelt sich nicht etwa um einen Holzwurm. Das Buch wurde aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt. Teilweise zumindest.“

Klumpe bekommt funkelnde Augen. „Das hatte ich auch mal“, meldet er beflissen. „‚Die Sonnenuhr‘, von Maarten ’t Hart. Da ist völlig sinnfrei von ‚Schlachtopfer‘ die Rede. Habe mich mal schlau gemacht: Das niederländische Wort für ‚Mordopfer‘ ist ‚slachtoffer‘. Da hat wohl die Transferleistung nicht ganz geklappt.“ – „Wobei man den Übersetzern nicht unbedingt einen Vorwurf machen kann. Die verdienen ja nix.“ – „Aber dafür gibt es doch ein Lektorat“, weiß Babs. „Was machen die denn den ganzen Tag?“ – „Na, saufen natürlich“, kräht der kleine Droll. „Was für ein herrlicher Beruf“, kommentiert Strunk versonnen, und plötzlich geraten alle ein wenig ins Träumen und sehen sich brandybenebelt in feudalen Büros sitzen. Ein mehrstimmiger Seufzer steigt auf.

Zum Nachtisch gibt’s Zitroneneis, und die bestürzten Blicke von den Nebentischen werden einfach kalt ignoriert.