Journalistenmord in Inguschetien: Kopfschuss im Polizeiwagen

In der russischen Kaukasusrepublik Inguschetien wird ein oppositioneller Journalist im Polizeigewahrsam erschossen. Die Opposition gegen Präsident Sjasikow wächst.

Politizist in Inguschetien nach einem Anschlag von tschetschenischen Terroristen im Juni 2004. Bild: dpa

BERLIN taz In nordkaukasischen Inguschetien stehen die Zeichen auf Sturm. Am Samstag ist der Betreiber der oppositionellen Internet-Seite "ingushetiya.ru", Magomed Jewlojew, direkt nach seiner Rückkehr aus Moskau im Flugzeug verhaftet und wenig später in einem Polizeifahrzeug per Kopfschuss erschossen worden. Wenige Stunden später forderte der bekannte inguschische Oppositionspolitiker Magomed Chasbijew im Moskauer Radiosender Echo Moskaus die Loslösung Inguschetiens von Russland. Und noch am Samstag begann "Ingushetyia.ru" mit der Onlinesammlung von Unterschriften für die Unabhängigkeit Inguschetiens.

Jewlojew war am Samstag nach Inguschetien zurückgekehrt. Mit an Bord war der inguschische Präsident Murat Sjasikow. Nachdem Sjasikow am Flughafen von einer vom inguschischen Innenminister angeführten Delegation in Empfang genommen wurde, wurde Jewlojew noch im Flugzeug verhaftet.

In einer ersten Reaktion vermutet der Menschenrechtler Magomed Muzolgow, der Wert auf die Feststellung legt, dass er mit der inguschischen Oppositionsbewegung nichts zu tun habe, in einem Gespräch mit der Internet-Agentur Regnum, dass der Präsident Sjasikow und der inguschische Innenminister Medow bei dem Mord ihre Hände im Spiel hätten.

Für Boris Wischnewski von der Nowaja Gaseta war der Mord an Jewlojew eindeutig politisch. Der Getötete sei einer der wenigen in Inguschetien gewesen, der den Mut gehabt habe, sich zu äußern. Laut der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft wollte die Polizei Jewlojew zu einer Vernehmung bringen. Während der Fahrt sei es zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen. Laut der Nachrichtenagentur Interfax sei der Journalist versehentlich erschossen worden. Die Staatsanwaltschaft habe eine Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Lange galt das 300.000 Einwohner zählende Inguschetien, das an die abtrünnige Kaukasusrepublik Tschetschenien grenzt und eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung hat, als sicherer Ort. Doch nachdem Präsident Ruslan Auschew von Moskau zum Rücktritt gezwungen wurde und im April 2002 der Geheimdienstgeneral Sjasikow an die Macht kam, war die relative Ruhe vorbei. Immer häufiger verschwanden Menschen nach Verhaftungen. Folter und außergerichtliche Hinrichtungen waren alltäglich. Allein 2007, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, seien 40 Menschen von Sicherheitskräften ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden.

Die Bevölkerung hat kein Vertrauen mehr in Sjasikow. In einer Petition an die Moskauer Regierung forderten Anfang August 80.000 Bewohner Inguschetiens seine Absetzung und die Rückkehr des früheren Präsidenten Auschew. In Inguschetien herrsche faktisch Bürgerkrieg, begründet einer der Initiatoren die Unterschriftensammlung. Nur Auschew habe die Autorität, diesen Bürgerkrieg zu beenden.

Der machte kürzlich mit Äußerungen auf sich aufmerksam, Elemente der muslimischen Rechtssprechung sollten in muslimischen Gebieten Russlands eingeführt werden. Beobachter sehen darin einen Versuch, Teile der Scharia in muslimisch geprägten Gebieten Russlands einzuführen. Und kürzlich warnte der Autor Gejdar Dschemal auf "Ingushetiya.ru" vor liberalen, freimaurerischen Kräften des Westens, die den Kaukasus angeblich unter die Kontrolle jüdischer Wirtschaftskreise bringen wollten. Unter den bewaffneten Aufständischen haben sich islamistische Kämpfer durchgesetzt. Mit Morden an Armeniern, Russen, Roma und Koreanern, aber auch an Vertretern der Staatsorgane, hatten sie in der Vergangenheit die Bevölkerung terrorisiert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.