Leider nicht besetzt

Nervig. Aber sinnvoll für die Unternehmen. Denn Warteschleifen sind akustische Visitenkarten

Von Katharina Fleischer

But don‘t look at my face/the young ones know the answer/ the night always wins!“ – so röhrt es aus dem Telefon. Solche Töne erzeugt die Leidenschaft fürs Theater. Der Song „Streets of Berlin“ von Maxi Musik ist die Telefonwarteschleife des Maxim Gorki Theaters in Berlin.

Diese Warteschleife ist ungewöhnlich. Kein nüchternes „Bitte warten“, sondern jaulende Gitarren und deftiges Schlagzeug verkürzen die Wartezeit. Was sonst oft ärgert und nervt, wird hier zum kulturellen Erlebnis. Doch was hat es eigentlich auf sich mit der Warteschleife? Auf diese Fragen kann „Telefonsounds“ Antworten geben, eine Agentur, die sich auf die Gestaltung von Warteschleifen spezialisiert hat. „Die Warteschleife“, sagt Telefonsounds-Inhaber Andreas Lehnert, „soll zu einer einheitlichen Darstellung des Unternehmens beitragen“. Sie ist Teil des Images, das ein Unternehmen kommuniziert. Entscheidend ist die Zielgruppe. Demnach möchte das Maxim Gorki Theater möglichst viele junge Leute erreichen. Das passt zu den günstigen Kartenpreisen des Theaters.

Warteschleifen stellen Informationen zum Unternehmen bereit. Sie verkürzen die Zeit mit Werbung. Ein Beispiel dafür findet man bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Hier spricht eine weibliche Stimme die Öffnungszeiten der verschiedenen Museen ein. Auch auf Englisch, wenn man Geduld hat.

Interessant wird es bei Kulturinstitutionen, die ihr Geschäft mit dem Hören machen. Bei den Berliner Philharmonikern dringt klassische Musik vom Allerfeinsten ans Ohr. Es sind Antonín Dvóřaks „Slawische Tänze“, natürlich hausgemacht, die zum Kauf von Karten animieren sollen. Auch die Konkurrenz setzt auf Klassik. Beim Konzerthaus Berlin meldet sich Herr Carl Maria von Weber. Der Anfang seines „Freischütz“ wird von einer Frauenstimme begleitet, sanft führt sie durch das Hauptmenü.

Frauenstimmen werden laut „Telefonsounds“ häufiger für Telefonwarteschleifen genutzt. Eine mittlere Stimmlage wirkt besonders beruhigend und freundlich. Das soll sie auch: Die Unternehmen möchten den Kunden in der Leitung halten.

„Männerstimmen werden von Unternehmen, die in ,männlichen Branchen‘ agieren, für Warteschleifen verwendet, sonst eher selten“, so Lehnert. Interessant – Kultur ist also keine „männliche Branche“. Jedenfalls wirkt das so bei den Warteschleifen Berliner Kulturinstitutionen. In etwa neunzig Prozent der Fälle meldet sich eine Frauenstimme. Eine Ausnahme bildet die Berliner Staatsoper: „Herzlich willkommen bei der Staatsoper Berlin“, tönt ein betont gut gelaunter und jung wirkender Mann aus dem Telefonhörer.

Dass Frauenstimmen aggressiv wirken können, zeigt die Warteschleife der Sammlung Scharf-Gerstenberg. „Leider sind unsere Telefonleitungen zurzeit nicht besetzt. Bitte rufen Sie uns wochentags zu den folgenden Zeiten an!“, wobei eine besonders belehrende Betonung auf „wochentags“ gelegt wird. Auch beim Deutschen Theater wird der Anrufer außerhalb der Sprechzeiten mit einem brüsken „Auf Wiederhören“ im Regen stehen gelassen.

Ganz anders ist es beim Berliner Ensemble: Nach einer freundlichen Begrüßung leitet die Frauenstimme mit „Hier unsere Vorstellungen“ geschickt zum informativen Teil der Warteschleife über. Hier steht der Service im Mittelpunkt, nicht das Vertrösten des Kunden. Betriebswirtschaftlich gesehen, sind Telefonwarteschleifen ein Teil des Unternehmens. Sie prägen das Image der Firma. Warum nerven sie so?

Andreas Lehnert von „Telefonsounds“ hebt hervor, dass nicht die Warteschleifen Wut erzeugen. Sie bilden nur den Sündenbock für den enttäuschten Kunden, den das Unternehmen nicht rechtzeitig bedienen kann. Das heißt: sie werden weiter nerven – jedenfalls so lange, bis Unternehmen genügend Mitarbeiter in der telefonischen Kundenbetreuung einstellen. Echte Stimmen, die auch antworten können.