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Kommentar Staatsbesuch in ArmenienTauwetter im Südkaukasus

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der Georgien-Krieg hat mit dazu beigetragen, das Schweigen zwischen der Türkei und Armenien zu brechen.

S eit die Republik Armenien aus der Sowjetunion hervorging und sich um die Enklave Berg-Karabach gleich einen Krieg mit Aserbaidschan lieferte, hat kein türkischer Politiker von Rang das Nachbarland besucht. Die Völkermord-Debatte um das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich hat ein Übriges dazu getan, die Kluft zu vertiefen. Mit dem Besuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül, der heute zu einem Fußballspiel nach Eriwan reist, ist zwar noch keines dieser Probleme vom Tisch. Doch die Sprachlosigkeit hat damit ein Ende.

taz

Jürgen Gottschlich arbeitet als Türkei-Korrespondent der taz in Istanbul.

Manchmal stimmt ja die Plattitüde von der Krise, die auch eine Chance bietet. Der Georgien-Krieg jedenfalls hat dazu beigetragen, das Schweigen zwischen der Türkei und Armenien zu brechen. Denn wie bis vor wenigen Monaten Südossetien und Abchasien, gilt auch der der Konflikt um Berg-Karabach als "eingefrorener" Territorialkonflikt. Nach dem Krieg in Georgien ist dessen Nachbarländern klar geworden, dass er schnellstens diplomatisch gelöst werden muss, will man nicht einen weiteren Krieg im Kaukasus riskieren.

Die Türkei hat ein Interesse an guten Beziehungen mit Russland wie auch mit den Republiken im Kaukasus. Sie könnte in der Region eine Vermittlerrolle in der Region spielen und hat dazu schon eine Konferenz zwischen allen Konfliktparteien vorgeschlagen. Bislang scheiterte sie nicht nur an Russland und Georgien, die sich nicht an einen Tisch setzen wollen, sondern auch an der alten Feindschaft zwischen der Türkei und Armenien.

Die Türkei kann einiges dafür tun, den Karabach-Konflikt zu lösen, wenn sie Aserbaidschan klarmacht, dass es dieses Gebiet ebenso wenig zurückbekommen wird wie Georgien seine abtrünnigen Regionen, und Armenien dazu bringt, jene aserischen Gebiete zu verlassen, die es besetzt hält. Was die Debatte um den Völkermord angeht, stehen sich dagegen zwei absolut konträre geschichtliche Erzählungen gegenüber, die fest in den Köpfen der Menschen verankert sind. Bevor man überhaupt über Wahrheit und Geschichtslügen reden kann, muss erst einmal ein Klima entstehen, in dem selbstkritische Fragen möglich sind.

Manche Linke und Liberale in Istanbul hoffen bereits auf eine große Geste von Präsident Gül in Eriwan. Doch diese Erwartungen sind allzu hoch gesteckt. Zunächst einmal muss es um die Öffnung der Grenze und die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen gehen. Erst wenn in den Alltag mehr Normalität einzieht und die Menschen die Chance bekommen, die andere Seite kennen zu lernen, können die Traumata der Vergangenheit gelöst werden.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei

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