Noch nicht mal Schnittchen

FILMDISKUSSION In der Akademie der Künste stritten sich am Montagabend Til Schweiger und Andreas Kilb über Wohl und Wehe der deutschen Filmkritik

„Wir müssen reden“ war der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Filmakademie im vergangenen Herbst. Dazu hatte sie sich drei Filmkritiker geladen, und die bekamen dann einiges zu hören über die Verantwortung, die sie gegenüber dem deutschen Film hätten, und wie wenig die Filmkritik ihr gerecht würde. Hinterher: Schnittchen. Vielleicht hätte man das Motto von Anfang an so verstehen sollen, wie es auch im echten Leben meist gemeint ist: nicht als Aufforderung zum Gespräch, sondern als Ankündigung des Beziehungsabbruchs.

Stattdessen ist der Verband der deutschen Filmkritik nun seinerseits auf die Idee gekommen, gemeinsam mit der Akademie der Künste eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Film und Kritik“ auf die Beine zu stellen. Den Anfang machten am Montag zwei Protagonisten der Filmakademie-Runde: auf der einen Seite Til Schweiger, Deutschlands vielleicht erfolgreichster, mit Sicherheit lautester Regisseur, Schauspieler und Produzent, und auf der anderen Seite der Filmkritiker Andreas Kilb von der FAZ.

Warum der Filmkritikerverband die Diskussion damit ausgerechnet auf das uninteressanteste aller möglichen Themen im Blick auf das eigene Selbstverständnis oder auf das Verhältnis zur Filmbranche verengte, war schwer nachzuvollziehen: nämlich auf den Kleinkrieg zwischen Til Schweiger und dem Feuilleton, dessen Vertreter nicht mehr zu Schweiger-Pressevorführungen eingeladen werden, weil der Regisseur sich und seine Filme unfair behandelt fühlt. Diskussionswürdig ist das höchstens deshalb, weil Schweiger seine Filme zu großen Teilen mit Filmfördergeldern finanziert und also öffentlich subventioniertes Kulturgut dem Diskurs wenigstens teilweise entzieht.

Die Moderatorin Claudia Lenssen brachte das Gespräch schließlich tatsächlich auf dieses Problem – nach einer Stunde Gesprächszeit, in der man unter anderem erfahren konnte, dass in Russland Filmkritik ein Studienfach ist (Schweiger) und dass Kunstfilme von der DDR handeln (Kilb). Als die Vorwürfe bezüglich Intransparenz doch noch kamen, wischte sie der Regisseur mit Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit seiner Filme beiseite.

Adorno, anekdotisch

Ansonsten ging es bei dem Streitgespräch wieder und wieder um so Fragen wie der, ob deutsche Filme bei deutschen Filmkritikern nun von Anfang an „ein Minus haben“ oder vielleicht doch eher „ein Plus“. Immerhin eine amüsante Anekdote hatte Schweiger dabei parat. Seine Eltern hatten in seiner Jugend die Frankfurter Rundschau abonniert und er kam schnell dahinter: Wenn die FR einen Film in der Luft zerriss, fand er ihn garantiert großartig. Dass ausgerechnet die an Adorno und Kracauer geschulte FR-Filmkritik der siebziger und achtziger Jahre, wenn auch ex negativo, für die Ausbildung des Schweiger’schen Geschmackssinns und damit vielleicht sogar für einen Film wie „Keinohrhasen“ die Verantwortung trägt, das ist doch mindestens ein origineller Gedanke.

Im Hintergrund immer präsent war ein bad guy namens Internet, der den Printmedien genauso zu schaffen macht wie der Filmbranche. Mehrmals wollte Kilb den Schweiger doch als einen viel naheliegenderen Gegner als die Filmkritik andienen. Doch je öfter dieses Internet erwähnt wurde, desto sympathischer wurde es einem. Im Internet dürfen unverschämterweise alle über Film schreiben, es gibt keine Anstandsregeln. Aber eben auch: keine Filter, keine Zensur, „keinen Chef“ (Kilb).

Als die Diskussion fürs Publikum geöffnet wurde, bekam Schweiger deutlich mehr Zuspruch für seine Position als die Filmkritiker. Die tatsächlich keine besonders gute Figur gemacht haben an diesem Abend. Hinterher gab’s noch nicht einmal Schnittchen. LUKAS FOERSTER