KfW überweist Geld an bankrotte Bank: Millionen versenkt
Die staatliche deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau hat 300 Millionen Euro an die Investmentbank Lehman Brothers überwiesen - als das Geldhaus schon pleite war.
Zwei Banker der staatlichen deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben noch am Montagmorgen 300 Millionen Euro an die Investmentbank Lehman Brothers überwiesen - obwohl die Pleite des New Yorker Geldhauses da schon längst bekannt war: Bereits am Sonntag hatten Angestellte begonnen, ihre Büros in der Wall Street fluchtartig zu räumen.
Bei der staatlichen Kreditanstalt herrscht jetzt Fassungslosigkeit: "Bei solchen Überweisungen gilt bei uns das Vier-Augen-Prinzip", so Wolfram Schweickhardt, Sprecher der KfW-Bankengruppe, zur taz. "Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte." Die interne Revision der Bank versucht nun, die genauen Umstände der katastrophalen Überweisung noch vor der der morgigen Verwaltungssratssitzung in Berlin aufzuklären. Die Banker in der KfW hatten am Montag zwar noch fieberhaft versucht, die Transaktion rückgängig zu machen. Doch das misslang.
Der Chef der Kreditanstalt, Ulrich Schröder, hofft zwar, etwa 50 Prozent des Geldes aus der Konkursmasse zurückzubekommen - eine Konkursquote von 40 bis 50 Prozent gilt bei Finanzexperten als denkbar. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) aber drohte bereits mit Konsequenzen: Die Zahlung an die Pleitebanker von Lehman sei "mehr als verwunderlich und ärgerlich", so Steinbrücks Sprecher Torsten Albig. Der Chef des KfW-Verwaltungsrats, CSU-Bundeswirtschaftsminister Mihael Glos, ließ dagegen verbreiten, es sei zu früh, über personelle oder strukturelle Folgen bei der Staatsbank zu spekulieren.
Die Opposition reagierte in der Generaldebatte über den Bundeshaushalt mit Hohn und Spott auf das Debakel: "Futsch sind se. Tolle Experten, die da sitzen", kommentierte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi erste Berichte über die versenkten Millionen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Otto Fricke (FDP), witzelte, KfW stehe offensichtlich für "Kreditanstalt für Wertverlust". Sein Parteifreund Frank Schäffler kritisierte, das Risikomanagement der KfW sei "eines der Megaprobleme dieser Bank": Mit "Staatsgarantien im Rücken" handelten die Frankfurter fahrlässig. Auch die grüne Finanzexpertin Christine Scheel wollte wissen, warum das Risikomanagement der KfW versagt habe. Die Staatsbank, die erst vor wenigen Monaten mit 5,5 Milliarden Euro für risikoreiche Kredite ihrer Tochter IKB für US-Ramschimmobilien bürgen musste, gerät immer weiter unter Druck.
Die Bundesregierung dagegen gab sich trotz der US-Bankenkrise betont unaufgeregt. Das deutsche Bankensystem sei "erkennbar stabiler als das amerikanische", wiederholte Steinbrück. Allerdings werde die Krise zu einem "konjunkturellen Abschwung" führen - für 2009 halte er ein Wachstum von nur noch einem Prozent für realistisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, die internationale Konjunktur stehe auf einer breiten Basis. Das Engagement deutscher Banken bei Lehman Brothers sei "glücklicherweise" überschaubar.
Insgesamt könnte die Lehman-Pleite den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) aber bis zu sechs Milliarden Euro kosten, schätzen Finanzexperten. Die Allianz bezifferte ihr maximales Ausfallrisiko auf 400 Millionen Euro, die Münchener Rück sprach von 350 Millionen. Andere Institute wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank lehnten Kommentare über ihr Engagement bei Lehman ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos