LESERINNENBRIEFE
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Ein anderes Gedenken

■ betr.: „Russland. Gedenken an den Sieg von Stalingrad“, taz vom 4. 2. 13

Von meiner politisch sensiblen tageszeitung hätte ich mehr erwartet als den konventionellen Paradetext heute auf Seite 10 zum 70-jährigen Jubiläum der Schlacht um die damals Stalingrad genannte Industriestadt an der Wolga.

Es gab nämlich noch ein anderes Gedenken, nämlich das erste Konzert eines deutschen Orchesters. Das Konzert des Osnabrücker Symphonieorchesters, das gemeinsam mit dem Wolgograder Philharmonischen Orchester spielte, wurde am Sonntag, 3. 2. 2013, ab 20.07 Uhr übertragen – leider nur im Deutschlandradio Kultur.

Der Impuls zu der tief bewegenden Begegnung der beiden Orchester am historischen Ort ging von Christian Heinecke aus, Geiger und Mitglied im Orchestervorstand des Osnabrücker Klangkörpers. Heinecke hatte die nötigen Kontakte im Verlauf mehrerer Jahre geknüpft und gestärkt. Ein ermutigendes Beispiel für Diplomatie von unten, die den Blick auf fremd Gebliebenes öffnet und damit auch eine Öffnung der persönlichen Wahrnehmung der Anderen als Personen insgesamt ermöglicht. WOLFGANG GERSTER, Braunfels

Hautfarbe ist unwesentlich

■ betr.: „Die Korrekturen“ u. a., taz vom 4. 2. 13

Als Mutter zweier Kinder ist mir das aktuelle Thema sehr wichtig. Zu meiner Person: Ich lebe seit knapp 20 Jahren in Deutschland, habe die deutsche Staatsangehörigkeit und auch die brasilianische. Um genau zu sein: Ich bin afrobrasilianisch. Es ist klar, überall werde ich als schwarze Frau angesehen mit allen Vorurteilen, die mein Gegenüber damit verbindet.

Für meine Tochter, die schon selber lesen kann und von Büchern total begeistert ist, wünsche ich mir Bücher, die nicht mit diskriminierenden Wörtern und positiver Diskriminierung falsche Werte und eine Abwertung des Andersseins darstellen. Aber es fehlt noch so viel, um Menschen zu überzeugen, dass die Hautfarbe nicht das Wesentliche am Menschsein ist. Der Beitrag der Kinderbuchautorin Kirsten Boie: „Wenn Begriffe vorkommen, die Menschen kränken, dann muss ich die nicht mehr verwenden“, zeigt, wie einfach es sein könnte. Dafür muss derjenige Größe besitzen und sensibilisiert sein. Es sind immer noch nicht viele, nicht in Deutschland und anderswo. SELMA LÚCIA FERREIRA, Essen

Wir brauchen Geduld

■ betr.: „Strafen allein genügt nicht“, taz vom 5. 2. 13

Heide Oestreich hat natürlich recht. Allerdings stößt unser Staat hier an seine Grenzen.

Der beste Sozialpädagoge, die härtesten rechtsstaatlich zu vertretenden Strafen können über Jahrhunderte eingefahrene Ansichten und Verhaltensweisen nicht kurzfristig überwinden. Wir brauchen Geduld, auch wenn das zynisch klingen mag. Vor allem die Autoritäten innerhalb der islamischen Gemeinden, etwa die Vorsitzenden der religiösen Vereine und die Geistlichen, müssen klar Flagge zeigen gegen Ehrenmord und Zwangsheirat, müssen diesen Kampf als ihre Aufgabe ansehen. Halbherzige, der öffentlichen Meinung und der Staatsmacht geschuldete Erklärungen helfen nicht.

CHRISTIAN FUCHS, Gutenstetten

Wenig realitätsnah

■ betr.: „Am Ende bist du hetero“, taz vom 4. 2. 13

Deutschen Amtsstuben und Gerichten eine homophobe Grundhaltung zu unterstellen, halte ich für wenig realitätsnah. Die restriktiven Gesetze, die zum Beispiel in Niedersachsen der endlich abgewählte Innenminister Schünemann durchsetzte, sind das größere Übel. Das fördert Vorurteile und Rassismus, verhindert wirtschaftlich nützliche Migration und erschwert öffentlich Bediensteten Menschlichkeit.

Ich kann als Schwuler bei meinen Kolleginnen und Kollegen – auch in der Ausländerbehörde – nicht mehr homophobe Haltung feststellen als beim Rest der Gesellschaft. Pflegt bitte einen differenzierten Blick auch in Behörden und nicht nur auf Lehrer und Lehrerinnen.

AXEL HOGH, Hannover

Historischer Fehler

■ betr.: „Der Tag der Kommunisten“, taz vom 2. 2. 13

In der Ausgabe vom Wochenende schreibt ihr endlich von Hitlers „Ernennung“ und die Tage vorher ständig von der „Machtübernahme“. Wieso? Bleibt doch bitte historisch korrekt.

Hindenburg hat am 30. Januar 1933 die Regierungsgeschäfte, das heißt die Macht, wenn auch gedacht nur zeitlich begrenzt, an Hitler übergeben; und mit dem Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 haben die sogenannten bürgerlichen Parteien diese Macht auf Dauer übertragen. Dieser historische Fehler „zeichnet“ die sogenannten bürgerlichen Parteien bis heute aus und dies führte nach Kriegsende dazu, dass die demokratischen Einrichtungen/Org. usw. sich nicht mehr in Lager aufspalten sollten. Diese Fehlentscheidung der Machtübergabe solltet ihr deshalb auch als solche benennen.

GERHARD THIEL, Syke