Bundesregierung schützt Kleinsparer-Konten: Garantiert ohne Gesetz
Die Furcht vor einer Kundenpanik treibt die Bundesregierung zum Versprechen, Erspartes zu sichern.
Das war wohl das Ziel der Aktion: "Merkel gibt Staatsgarantie für ALLE Sparer", vermeldete die Bild-Zeitung gestern übergroß auf ihrer Titelseite. Und weiter: "Ihr Geld ist sicher." Genau um diese Botschaft an die Massen von Kleinsparern ging es der Bundeskanzlerin und ihrem Finanzminister Peer Steinbrück, als sie am Sonntag überraschend eine Staatsgarantie für alle privaten Spar-, Giro- und Terminkonten in Deutschland abgaben.
Und diese schöne Nachricht wollte sich Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Tag danach nicht kaputtmachen lassen. "Ich möchte an Sie appellieren, die Wirkung der Aussage nicht durch Detailfragen zu relativieren", sagte er den Hauptstadtjournalisten, die mit vielen Fragen in die Bundespressekonferenz kamen. Zum Beispiel, wie groß die Gesamtsumme ist, die die Regierung nun absichert. 568 Milliarden Euro, wie das Finanzministerium am Sonntag erklärt hatte? Oder doch 800 Milliarden? Oder doppelt so viel? Diese Zahlen kursierten am Montag. Weil die Bundesbank - offenbar selbst überrascht vom Versprechen Merkels und Steinbrücks - am Vormittag noch rechnete, wollte sich Steinbrücks Sprecher Torsten Albig nicht festlegen, sondern sprach nur noch von "über einer Billion".
Und was ist eigentlich mit dem Bundestag, der doch einem entsprechenden Gesetz zustimmen müsste? Offenbar auch eine unangemessene Detailfrage. Denn die Regierung plant gar nicht, ihr Versprechen juristisch dingfest zu machen. "Eine umfassende politische Erklärung, hinter der die große Koalition steht, ist in ihrer Tragweite belastbarer als jedes Gesetz", sagte Wilhelm. Erst wenn es tatsächlich zu Zahlungen des Bundes kommt, solle das Parlament beteiligt werden.
Nicht nur die Opposition ist verärgert über diesen Alleingang der Regierung. Auch so mancher Vertreter der Bankenbranche zeigte sich gestern hinter vorgehaltener Hand "verwundert" und "überrascht" über die Aktion von Merkel und Steinbrück, die nicht wirklich überzeugend gewirkt habe und eigentlich auch nicht unbedingt notwendig gewesen sei. Denn durch den gesetzlichen Einlagensicherungsfonds und weitere Garantien der jeweiligen Bankenverbände sind Privatanleger in Deutschland ohnehin gut abgesichert (siehe Seite 2). Offiziell hingegen loben die Bankenverbände die "zusätzliche Garantie", die die Bundesregierung gegeben habe. Eine Sprecherin des Bundesverbandes deutscher Banken betonte aber, dass dies "keine juristische Aussage" gewesen sei, sondern eine politische. Über die genauen Details seien die Institute noch nicht informiert worden.
Unbehagen über das Versprechen der Regierung äußerte auch der Finanzwissenschaftler Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Es handele sich vermutlich um "die größte Garantie der Weltgeschichte", sagte er im ZDF. Würde wirklich ein Teil dieser Garantie eingelöst werden, käme der Staat in Schwierigkeiten. Die Europäische Zentralbank verhindere, "dass man einfach so Geld druckt", und zusätzliche Staatsanleihen würden die Bonität Deutschlands verschlechtern.
Anlass für die Garantieerklärung waren Berichte der Europäischen Zentralbank, dass es in anderen EU-Staaten zu vermehrtem Abheben von Bargeld gekommen sei. "Das wollten wir für Deutschland verhindern", sagte Finanzministeriums-Sprecher Albig. Bislang ist hierzulande von einem Ansturm auf die Bankautomaten noch nichts zu sehen. Doch die Kunden sind verunsichert. "Es gibt erhöhten Beratungsbedarf", heißt das im PR-Sprech der Presseabteilungen in den großen deutschen Banken. Die Kunden fragen also nach, lassen ihr Geld dann aber auf der Bank. Lediglich in Einzelfällen würden "größere Beträge abgehoben", hieß es gestern bei der Dresdner Bank.
Keinen Zusammenhang hat die Sparer-Garantie Albig zufolge mit der Krise des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE). Hier sei am Sonntagabend eine Lösung vereinbart worden, die keine zusätzlichen Kosten für den Bund bedeute (siehe Kasten). Über die HRE-Rettung hinaus plant Steinbrück offenbar einen Rettungsplan für die gesamte Finanzbranche. Man müsse versuchen, "in Deutschland insgesamt einen Schirm zu spannen, damit wir nicht von einem Fall zu dem anderen Fall geraten", sagte der Finanzminister. Details dieses "Plans B" nannte er nicht.
Während Steinbrücks Ankündigung in Finanzkreisen als globale Bürgschaft für Geldhäuser interpretiert wurde, wies Albig entsprechende Spekulationen zurück. Es gehe lediglich darum, "Strukturen für künftige Lösungen" zu definieren. Bleibt zu hoffen, dass diesmal Detailfragen erlaubt sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Nach Hinrichtung von Jamshid Sharmahd
„Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?“
Strategien gegen Fake-News
Das Dilemma der freien Rede