Ausgangssperren sollen länger gelten

Als Antwort auf die Gewalt in den Vorstädten beschließt Frankreichs Regierung, das Notstandsrecht zu verlängern. Die heutige Abstimmung im Parlament dürfte reine Formsache sein. Dennoch wächst auch in rechten Kreisen die Kritik am Regierungskurs

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Mit Dutzenden von Demonstrationen in Frankreich haben LokalpolitikerInnen, Bürgerinitiativen, BewohnerInnen der Vorstädte und linke Parteien in den vergangenen Tagen gegen das Ausnahmerecht protestiert. Ihre Slogans lauten: „Dialog und Respekt statt Polizei“. Und: „Gegen alle Diskriminierung“. Dennoch will die rechte Regierung die nächtliche Ausgangssperre in den „Problemvierteln“ auf bis zu drei Monate verlängern. So entschied gestern das Kabinett in seiner wegen der Lage in den Vorstädten vorgezogenen wöchentlichen Sitzung. Heute soll das Parlament über das entsprechende Gesetz abstimmen.

Gleichzeitig will die Regierung massiv jene Gelder in die Banlieues pumpen, die sie in den vergangenen drei Jahren gestrichen hatte. Brüssel erwägt, 50 Millionen Euro in die französischen Banlieues zu investieren.

Die rechte Sammlungsbewegung UMP, deren Präsident und in Personalunion Innenminister Nicolas Sarkozy am Wochenende erneut von „Gesindel“ in den Vorstädten gesprochen hat, wird für die Durchsetzung der Notstandsverlängerung sorgen. Die UMP verfügt über die absolute Mehrheit im Parlament. Zugleich wächst auch in rechten Kreisen Kritik an den Polizeimaßnahmen, mit denen die Regierung auf die Revolte reagiert. Nachdem KommunistInnen, Grüne und einzelne SozialistInnen die Ausgangssperre als „falsche Antwort“ kritisiert hatten, erklären das nun auch PolitikerInnen der rechtsliberalen UDF.

An Jacques Chirac, der gestern Abend eine Erklärung im französischen Fernsehen abgeben wollte, richteten sich hohe Erwartungen. Viele FranzösInnen wollen seit Tagen von ihm einen Satz mit dem historischen Gewicht des „Ich habe euch verstanden“ von General de Gaulle hören.

In der 18. Nacht der Vorstadtkrise flauten die Brände weiter ab. Allerdings brannten in der Nacht zu gestern immer noch 271 Autos, 112 Menschen wurden in den Vorstädten verhaftet. Die betroffenen 200 französischen Kommunen messen jetzt auch ihre Scherbenhaufen. Zwar vermelden die Versicherungen „nur“ 200 Millionen Euro Sachschaden, aber der politische Schaden und der Vertrauensverlust vieler VorstadtbewohnerInnen sind unmessbar. BürgermeisterInnen befürchten, dass die Gewalt auch dazu betragen könnte, die Spannungen zwischen den BewohnerInnen der Banlieues zu vergrößern. „Wir müssen verhindern, dass rechte und linke Populisten davon profitieren“, erklärt in der Pariser Vorstadt Sevran der kommunistische Bürgermeister Stéphane Gatignon.

Die elektronischen Medien haben ihre Berichterstattung über die Randale radikal reduziert. Seit rechte PolitikerInnen erklärt haben, dass die Fernsehbilder die Gewalt anfachten, brennen in den Hauptnachrichtensendungen weniger Autos. Auch die Zahlen über ausgebrannte Autos und Gebäude werden nicht mehr systematisch eingeblendet. Ein Video, das prügelnde Polizisten zeigt, ist von der Web-Seite des TV-Senders France 2 verschwunden.