piwik no script img

Datenreport 2008Deutsche jammern gerne

Im EU-Vergleich haben die Deutschen viel Angst vor der Zukunft. Ähnlich pessimistisch sind nur noch die Ungarn und die Tschechen. Zur Unterschicht zählt sich hier kaum jemand.

Die Erwartungen an den Sozialstaat sind hoch, die Angst vor dem Abstieg groß. Bild: dpa

Also am Pkw-Bestand kann es schon mal nicht liegen. Dort nimmt Deutschland im Vergleich zu den europäischen Ländern einen der oberen Plätze ein, weil besonders viele Einwohner hierzulande über ein Auto verfügen. Auch was Wohnqualität und Arbeitsplatzsicherheit betrifft, steht die Bundesrepublik nicht schlecht da. Trotzdem aber sagen nur 25 Prozent der Bundesbürger, dass es ihnen heute besser gehe als noch vor fünf Jahren.

Nur 30 Prozent erwarten, dass die Zukunft in den kommenden fünf Jahren rosiger wird. Ähnlich stark ist der Pessimismus nur noch in Ungarn und der Tschechischen Republik. Die Stimmungswerte stehen im neuen "Datenreport 2008", der am Mittwoch im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) vorgestellt wurde. Der Report ist eine der umfangreichsten Datensammlungen zu Einkommen, Lebensformen und Wohlbefinden in Deutschland.

Bei der Frage nach aktueller Lebenszufriedenheit und Glück erreicht Deutschland zwar einen Platz im Mittelfeld der EU-Länder. Doch wenn es um die Beurteilungen von Vergangenheit und Zukunft in den persönlichen Lebenslagen ging, verdüsterten sich die Aussagen. Und das, obwohl sich zum Erhebungszeitraum im vergangenen Jahr die wirtschaftliche Situation allgemein etwas gebessert hatte.

Die subjektive Selbsteinschätzung und die objektive Datenlage sind eben nicht das Gleiche. Obwohl für die deutschen Sozialsysteme jährlich rund 700 Milliarden Euro aufgewendet werden, sind die Deutschen mit ihrer sozialen Sicherung immer weniger zufrieden. Dieser Wert sei auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren gefallen, erklärte am Donnerstag Heinz-Herbert Noll, Mitherausgeber der Studie.

"Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation der sozialen Sicherung resultiert nicht zuletzt aus den hohen Erwartungen, die die Bürger im Westen, aber mehr noch im Osten weiterhin an den Sozialstaat richten", meinte Noll. Vor allem die Entwicklung in der Rente sorgt für Enttäuschungen.

So bringen zwei Drittel der Bevölkerung der Krankenversicherung Vertrauen entgegen, aber nur ein Drittel vertraut noch dem Rentensystem. Lediglich jeder vierte Deutsche war im Jahr 2006 noch zuversichtlich, dass die Rente gesichert sei. "In keinem anderen Mitgliedsland der EU-einschließlich der osteuropäischen Länder fällt dieser Wert so niedrig aus wie in Deutschland", sagte Noll.

Laut dem Report stagnierten die Realeinkommen in Deutschland zwischen 2001 und 2006. Die Schere zwischen Arm und Reich habe sich "weiter geöffnet", meinte Noll. Allerdings gibt der Report diese Entwicklung nur bis zum Jahre 2006 wieder.

Aufgrund von Daten aus dem vergangenen Jahr kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich zu dem Schluss, dass die Ungleichheit zuletzt nicht weiter zu-, sondern sogar leicht abgenommen habe. Die subjektive Selbsteinschätzung kann auch ein Schutz sein: So ordnen sich nur drei Prozent der Westdeutschen und fünf Prozent der Ostdeutschen selbst als "Unterschicht" ein, ungeachtet der Armuts- und Arbeitslosenquoten, die ja viel höher sind. "In den Augen der Befragten gibt es immer noch andere, denen es schlechter geht, also grenzt man sich nach unten ab und stuft sich dann doch etwas höher ein", sagte Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB.

Auch heißt der landesweit verbreitete Pessimismus nicht, dass die Leute keine Lebensfreude haben. So ergab der Report beispielsweise, dass die meisten Bürger nicht isoliert sind und mehr Menschen als in den 90er Jahren Kontakte auch außerhalb von Kernfamilie und Arbeitsplatz pflegen. Und auch wenn das körperliche Wohlbefinden mit den Jahren sinkt, so fühlen sich die 60- bis 70-Jährigen doch in der Seele wohler als andere Altersgruppen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

12 Kommentare

 / 
  • A
    Anonymous

    @ Isolde:

    "800 x 80.000.000 = 64 Milliarden"

     

    Pro Jahr oder pro Monat?

     

    Bei 800 pro Jahr müßte man das ja noch durch 12 Monate teilen und kommt dann auf ein eher mageres Grundeinkommen von 67 Euro.

    Oder pro Monat, da müßte man die 64 Milliarden noch mal 12 nehmen: 768 Milliarden, also noch 168 Miliardem mehr als jetzt.

  • S
    Stefan

    Hallo Isolde,

     

    "Soziales", das ist nicht nur Alg und Alg II. "Soziales", das ist auch Rente, Künstlersozialkasse, Förderung von Kinder-, Jugend- und Familienprojekten, von Vereinen etc..! Der Bereich "Teilhabe behinderter Menschen" gehört ebenfalls dazu! Schließlich gibt es noch den Bereich "Europa und Soziales"! Also: Erst mal nachschauen, wofür die 700 Milliarden verwendet werden!

  • S
    Stefan

    Die 64 Mrd. müssen wohl mit 12 Monaten multipliziert werden, und dann läge man bei etwa 760 Mrd. Euro. Die Frage ist doch eher, wer vom Sozialsystem profitiert und wer nicht, also wer Nettozahler und wer Nettoempfänger ist. Und wenn man in D immer nur der Dumme ist, weil man von seinem Gehalt ordentlich abdrücken darf und am Ende nur eine Micker-Rente zu erwarten hat und die Krankenkasse trotz hoher Beiträge nur noch einmal im Jahr die Zahnsteinentfernung bezahlt, schürt das eben Frust.

  • I
    Isolde

    Aha. Für Soziales werden jährlich 700 Milliarden! Euro ausgegeben. Wenn mir jetzt noch einer erzählt, wie das möglich ist...

    Nehmen wir einmal an, jeder Bundesbürger würde ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro erhalten, also auch kleine Kinder und Babys, dann ergibt sich: 800 x 80.000.000 = 64 Milliarden.

    Da wir nicht davon ausgehen, dass jedem Bürger in Deutschland 800 Euro gegeben wird, muss die Summe um einiges geringer sein.

    Sollte nun der Arbeitsapparat hinter der Sozialhilfe fast 600 Milliarden kosten, dann plädiere ich sofort für das bedingungslose Grundeinkommen. Damit läßt sich mehr sparen, als sich manch einer nur träumen kann.

     

    Also, entweder handelt es sich in dem Bericht um einen Tippfehler, oder aber das Bankenrettungspaket zählt ebenfalls zu den sozialen Abgaben ;-)

  • A
    Anonymous

    @ Isolde:

    "800 x 80.000.000 = 64 Milliarden"

     

    Pro Jahr oder pro Monat?

     

    Bei 800 pro Jahr müßte man das ja noch durch 12 Monate teilen und kommt dann auf ein eher mageres Grundeinkommen von 67 Euro.

    Oder pro Monat, da müßte man die 64 Milliarden noch mal 12 nehmen: 768 Milliarden, also noch 168 Miliardem mehr als jetzt.

  • S
    Stefan

    Hallo Isolde,

     

    "Soziales", das ist nicht nur Alg und Alg II. "Soziales", das ist auch Rente, Künstlersozialkasse, Förderung von Kinder-, Jugend- und Familienprojekten, von Vereinen etc..! Der Bereich "Teilhabe behinderter Menschen" gehört ebenfalls dazu! Schließlich gibt es noch den Bereich "Europa und Soziales"! Also: Erst mal nachschauen, wofür die 700 Milliarden verwendet werden!

  • S
    Stefan

    Die 64 Mrd. müssen wohl mit 12 Monaten multipliziert werden, und dann läge man bei etwa 760 Mrd. Euro. Die Frage ist doch eher, wer vom Sozialsystem profitiert und wer nicht, also wer Nettozahler und wer Nettoempfänger ist. Und wenn man in D immer nur der Dumme ist, weil man von seinem Gehalt ordentlich abdrücken darf und am Ende nur eine Micker-Rente zu erwarten hat und die Krankenkasse trotz hoher Beiträge nur noch einmal im Jahr die Zahnsteinentfernung bezahlt, schürt das eben Frust.

  • I
    Isolde

    Aha. Für Soziales werden jährlich 700 Milliarden! Euro ausgegeben. Wenn mir jetzt noch einer erzählt, wie das möglich ist...

    Nehmen wir einmal an, jeder Bundesbürger würde ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro erhalten, also auch kleine Kinder und Babys, dann ergibt sich: 800 x 80.000.000 = 64 Milliarden.

    Da wir nicht davon ausgehen, dass jedem Bürger in Deutschland 800 Euro gegeben wird, muss die Summe um einiges geringer sein.

    Sollte nun der Arbeitsapparat hinter der Sozialhilfe fast 600 Milliarden kosten, dann plädiere ich sofort für das bedingungslose Grundeinkommen. Damit läßt sich mehr sparen, als sich manch einer nur träumen kann.

     

    Also, entweder handelt es sich in dem Bericht um einen Tippfehler, oder aber das Bankenrettungspaket zählt ebenfalls zu den sozialen Abgaben ;-)

  • A
    Anonymous

    @ Isolde:

    "800 x 80.000.000 = 64 Milliarden"

     

    Pro Jahr oder pro Monat?

     

    Bei 800 pro Jahr müßte man das ja noch durch 12 Monate teilen und kommt dann auf ein eher mageres Grundeinkommen von 67 Euro.

    Oder pro Monat, da müßte man die 64 Milliarden noch mal 12 nehmen: 768 Milliarden, also noch 168 Miliardem mehr als jetzt.

  • S
    Stefan

    Hallo Isolde,

     

    "Soziales", das ist nicht nur Alg und Alg II. "Soziales", das ist auch Rente, Künstlersozialkasse, Förderung von Kinder-, Jugend- und Familienprojekten, von Vereinen etc..! Der Bereich "Teilhabe behinderter Menschen" gehört ebenfalls dazu! Schließlich gibt es noch den Bereich "Europa und Soziales"! Also: Erst mal nachschauen, wofür die 700 Milliarden verwendet werden!

  • S
    Stefan

    Die 64 Mrd. müssen wohl mit 12 Monaten multipliziert werden, und dann läge man bei etwa 760 Mrd. Euro. Die Frage ist doch eher, wer vom Sozialsystem profitiert und wer nicht, also wer Nettozahler und wer Nettoempfänger ist. Und wenn man in D immer nur der Dumme ist, weil man von seinem Gehalt ordentlich abdrücken darf und am Ende nur eine Micker-Rente zu erwarten hat und die Krankenkasse trotz hoher Beiträge nur noch einmal im Jahr die Zahnsteinentfernung bezahlt, schürt das eben Frust.

  • I
    Isolde

    Aha. Für Soziales werden jährlich 700 Milliarden! Euro ausgegeben. Wenn mir jetzt noch einer erzählt, wie das möglich ist...

    Nehmen wir einmal an, jeder Bundesbürger würde ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro erhalten, also auch kleine Kinder und Babys, dann ergibt sich: 800 x 80.000.000 = 64 Milliarden.

    Da wir nicht davon ausgehen, dass jedem Bürger in Deutschland 800 Euro gegeben wird, muss die Summe um einiges geringer sein.

    Sollte nun der Arbeitsapparat hinter der Sozialhilfe fast 600 Milliarden kosten, dann plädiere ich sofort für das bedingungslose Grundeinkommen. Damit läßt sich mehr sparen, als sich manch einer nur träumen kann.

     

    Also, entweder handelt es sich in dem Bericht um einen Tippfehler, oder aber das Bankenrettungspaket zählt ebenfalls zu den sozialen Abgaben ;-)