DIE KUNST DES KRAULENS
: Ich war mal

Nach vier Bahnen beginnen die Arme wehzutun. Verdammt

Ich nehme die Mütze ab. Der Wind schlägt die Haare nach hinten. Ich betrete das Stadtbad Neukölln. Es ist lange her, als ich das letzte Mal in einem Hallenbad war, die letzte sportliche Betätigung bestand in einigen Bolzplatz-Eskapaden mit Achtjährigen, die mir den Ball abnahmen. Eigentlich bin ich Basketballer, sagte ich einige Male erklärend, aber das half auch nicht weiter.

Nach vier Bahnen beginnen die Arme wehzutun. Verdammt, denke ich, das kann doch nicht wahr sein. Zwei Frauen, eine dicke und eine dürre, gehen ins Wasser und beginnen zu schwimmen. Aus zwei steinernen Mäulern plätschert Wasser in den Nichtschwimmerbereich, daneben werden drei Kinder von einem Lehrer in die Kunst des Kraulens eingeweiht. Ich reiße mich zusammen. Einen Kilometer will ich schaffen. Die Frauen schwimmen. Was die können, denke ich, kann ich längst und schwimme weiter im Windschatten einer blau-rot geblümten Badekappe. Auf der einen Seite des Beckens hat sich eine semiprofessionelle Elite aus Männern und Frauen gebildet, die das Wasser durchpflügt, als müsste sie vor irgendetwas flüchten. Verdammt, ich war der Dribbelkönig, ich habe jedem den Ball gebracht, der ihn haben wollte, ich bin mit 18 Jahren Marathon gerannt und jetzt werde ich diesen Kilometer hinter mich bringen.

Als ich aus dem Wasser steige, schwimmen die beiden Frauen noch immer. Unter der heißen Dusche stehe ich, als hätte ich drei Wochen Urlaub auf einem Fischkutter verbracht, die Arme zittern ein wenig. Den Kilometer habe ich nicht geschafft. Der Duschraum ist leer. Erfreut über die körperliche Erschöpfung schließe ich die Augen, strecke die Arme vom Körper ab und brülle: „Alter Latz!“ Als ich sie wieder öffne, steht ein stämmiger Türke vor mir und sagt lächelnd: „Merhaba! Du musst dich jetzt ausruhen!“

BJÖRN KUHLIGK