Neue Talkshow für Jörg Thadeusz: Ein Herr, kein kleiner Junge

Jörg Thadeusz gilt als "ewiges Talent" mit 20 Jahren Berufserfahrung - und scheint damit ganz zufrieden zu sein. Ab Freitag moderiert er die neue RBB-Talkrunde "Dickes B." (22.00 Uhr).

Konfuse Fragetechnik, kontrastiert mit Krawatte: Moderator Jörg Thadeusz. Bild: dpa

"Was für ein toller Mann!" Jörg Thadeusz steht in seiner Garderobe beim RBB, die fliederfarbene Krawatte in der Hand, den obersten Hemdknopf geöffnet, und schwärmt ungefragt von seinem Talkgast Hanns Zischler, der gerade zur Tür raus ist. Nach der Aufzeichnung haben Thadeusz und sein Redaktionsleiter mit Zischler noch eine geraucht und dabei eine gute halbe Stunde über dies und das geplaudert. Dafür ist Zischler, der Privatgelehrte unter den deutschen Schauspielern, genau der Richtige. Unter anderem ging es in dem Gespräch um eine Formatidee, die Thadeusz und sein Redaktionsleiter ausgeheckt haben. So viel sei verraten: Die große Samstagabendshow für Thadeusz ist es wieder nicht.

Es ist nicht so, dass Thadeusz sich die Aufgabe nicht zutrauen würde, dieses Nachwuchstalent mit knapp 20 Jahren Berufserfahrung, aber ihn fragt einfach keiner. Warum? Das sei schlicht "eine Geschmacksfrage der Verantwortlichen", sagt er ohne spürbares Bedauern und verweist auf seinen Kollegen Frank Plasberg, dem Ex-NDR-Intendant Jobst Plog die nötigen "Starqualitäten" abgesprochen hat, um Sabine Christiansen zu beerben. Mittlerweile ist Plasbergs Polittalk "Hart, aber fair" längst vom dritten ins erste Programm umgezogen und nebenbei moderiert Plasberg noch eine Quizshow (!) im NDR. Die Hierarchen können ihre Meinung auch ändern. Es besteht also noch Hoffnung für Thadeusz.

Solange man ihn in der ARD für die große Showbühne noch für "zu kalt und pennälerhaft" hält, wie ein Hierarch ihm einmal gestanden hat, macht Thadeusz es sich eben in der Nische gemütlich. Neben seinem intimen Zwei-Menschen-ein-Tisch-Talk "Thadeusz" am Dienstagabend moderiert er im RBB-Fernsehen von heute an auch die monatliche Berlin-Brandenburg-Talkrunde "Dickes B.". Als "Showtalk" bezeichnet sein Haussender das etwas wirre Format, das im vergangenen Jahr schon mal getestet wurde, damals mit Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy als Komoderatorin. Nun ist die Berliner Kleinkunstgröße Andreja Schneider ("Geschwister Pfister") die Frau an seiner Seite - leider im Wortsinn. Am Ende der ersten Aufzeichnung, als die Kameras schon aus waren, plumpste Schneider wie ein Sack Kartoffeln vor Thadeusz Füße. Der bittet um Geduld mit seiner Moderationspartnerin, die noch kaum Erfahrung als Interviewerin habe und obendrein auch für die Showelemente zuständig sei: "Ich sitze da nur als Talkmaster", sagt Thadeusz, eine ebenso komfortable Position wie die, die Thadeusz im Laufe des Gesprächs einnimmt. Er rutscht auf seinem Stuhl immer mehr nach vorne, die in Relation zum üppigen Oberkörper erstaunlich dürren Flamingo-Beine weit von sich gestreckt. Für Thadeusz scheint es keinen Unterschied zu machen, ob er in seiner Garderobe plaudert oder vor einem Millionenpublikum - auch wenn er sich im Studio natürlich nicht so hinlümmeln würde. Seine an Nachlässigkeit grenzende Lässigkeit, unterstrichen durch den Thadeusz-Nuschelton sowie die nur scheinbar konfuse Fragetechnik (und kontrastiert von Anzug und Krawatte), zeichnet Thadeusz aus - und schüchtert seine Moderationspartnerin ein. "Ich bin nicht Andrejas Kontrahent", stellt Thadeusz klar, als man ihn mit der Beobachtung konfrontiert, "sondern ihr allererster Alliierter."

Genauso wenig, wie man ihn darum bitten musste, etwas Schmeichelhaftes über Hanns Zischler zu sagen, muss man ihn nun um ein Kompliment an Andreja Schneider bitten. "Ich weiß, dass man in der Wärme dieser Frau baden kann", sagt Thadeusz, der gerne nette Dinge über nette Menschen sagt. Als Antwort auf die Frage, warum er trotz Fernsehkarriere dem Radio treu geblieben ist und so regelmäßig, wie es ihm möglich ist, das Wissenschaftsmagazin "Die Profis" beim RBB-Sender Radio Eins moderiert, schwärmt er minutenlang von den Kollegen dort, zählt Namen auf, erzählt Anekdoten zu ihnen, um zu dem Schluss zu kommen: "Ich gehöre zu einer Gruppe von großartigen Leuten, zu denen ich einfach gerne gehören möchte, zumindest ein bisschen." Und bevor man ihn für einen Medienheuchler hält, betont Thadeusz: "Das ist alles ehrlich empfunden."

Vor seiner Medienkarriere hat Thadeusz ein Politik- und Geschichtsstudium abgebrochen und viel rumgejobbt: in der Kneipe der Eltern, als Paketfahrer und zusammen mit seinem jüngeren Bruder Frank, heute Spiegel-Redakteur, als Liegewagenschaffner. "Über diese Jobs sind wir zum Glück hinaus", sagt Thadeusz, der sich mit Graus an Sekretärinnnen erinnert, die ihn "wie Scheiße am Schuh behandelt" hätten, "heute hab ich es schön und mein Bruder hat es auch schön, aber diese Erfahrungen gehören zu unseren Biografien. Das imprägniert dich, du bleibst immer ein Ex-Liegewagenschaffner, bist eben nicht der geborene Karrierist." Solche Typen sind Thadeusz ähnlich suspekt wie "die Mädels in meinem Alter, die in bunten Strümpfen durch Prenzlauer Berg laufen". Thadeusz wohnt nicht weit von dem Szenebezirk entfernt, in Pankow, mental lebt er in einer anderen Welt als die ewig Junggebliebenen. "Ich bin ein Herr, kein kleiner Junge. Der Unterschied ist mir wichtig", sagt er. "Ich käme mir lächerlich vor, wenn ich so rumhampeln würde wie mancher 42-Jährige im Privatfernsehen."

Wer unbedingt Karriere machen will, verkneift sich solche Sprüche besser. Doch Thadeusz ist mit dem zufrieden, was er erreicht hat. Es kann alles so bleiben, muss es aber nicht. "Es gibt Leute, die wollen spielen", sagt er, "und solche, die nur funktionieren wollen." Zu welcher Gruppe er gehört, sagt er nicht. Muss er auch gar nicht.

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