Guitar Hero für Amputierte: Luftgitarre freihändig

"Guitar Hero" wird medizinische Maßnahme: US-Forscher lassen Amputationspatienten mit dem Konsolenspiel die Kontrolle mechanischer Arme trainieren.

Zwei Arme? Zum Guitar Hero spielen gar nicht mehr zwingend nötig. Bild: photocase.de

In den letzten Jahren sind der Spieleindustrie ein paar wirklich große Würfe gelungen: mit schlappohrig-weißen Protagonisten von "Ravin' Rabbids" und den niedlichen Lumpenpuppen von "Little Big Planet" wurde die Zielgruppe der Zocker um Mädchen erweitert, mit der bewegungsintensiven Wii-Konsole wurden Daddeln zur Familienunterhaltung. Und jetzt gibt es eine weitere Gruppe, die Xbox, Wii und Co für sich entdecken, aber mit ziemlicher Sicherheit nie auf dem Zielgruppenzettel der Entwickler standen: Reha-Patienten.

Dass das Spielen mit Nintendo Wii ihre Patienten bei der Physiotherapie und Reha überdurchschnittlich motivierte, beobachten Ärzte und Wissenschaftler schon seit längerem. Aber der neuste Schrei in der Reha-Medizin dürfte nun "Air Guitar Hero" sein - eine leicht veränderte Version des populären Rockstarimitationsspiels, von der Amputierte profitieren sollen.

Forscher der Johns Hopkins-Universität wollen mit ihrer modifizierten Variante von "Guitar Hero" Amputierte auf das Steuern ihrer neuen künstlichen Arme vorbereiten. Was nach einer Spielerei klingt, ist tatsächlich Teil eines Forschungsprogramms, das neue mechanische Arme entwickelt, deren motorische Abläufe sich eng an denen von Gliedmaßen aus Fleisch und Blut orientieren sollen. Denn dazu müssen nicht nur neuartige Prothesen entwickelt, sondern auch die neurologische Chirurgie für die Anpassung der Gliedmaßen weiterentwickelt werden.

Die Idee ist einfach: Auch nach der Amputation sind die Nerven eines Arms in der Regel intakt. Indem man sie mit Elektroden verbindet, kann der Amputierte mit Hilfe von elektromyografischen Signalen den mechanischen Arm steuern - so, dass es sich für ihn anfühlt, als würde er seinen eigenen Arm kontrollieren können.

Was bislang allerdings nicht gelang, waren individuelle Fingerbewegungen. Doch in jedem Falle verlangte die Steuerung von mechanischem Arm durch körpereigene Nerven jede Menge Übung des Patienten. Dazu wird ein virtuelles Trainingstool eingesetzt, bei dem der Patient einen animierten Arm in Echtzeit bewegen muss - mit Hilfe der Elektroden, die an seinem Arm befestigt sind. Allerdings stellten Forscher schon vor einiger Zeit fest, dass es wirkungsvoller ist, die Patienten spielen zu lassen als sie stumpf zum Training von immer gleichen Bewegungsabläufen anzuhalten.

Darum wurde das Trainingstool zunächst mit dem Telespiel-Klassiker "Pong" kombiniert: Der Patient steuerte den "Pong"-Schläger, indem die virutelle Hand geöffnet und geschlossen wurde. Nachteil: So wurde die Bewegung der einzelnen Finger nicht trainiert.

Darum kamen die Johns Hopkins-Forscher Robert Arminger und Jacob Vogelstein auf die Idee, Guitar Hero für ihre Zwecke nutzbar zu machen - weil dieses Spiel explizit eine differenzierte Bewegung der einzelnen Finger erfordert. Die Forscher manipulierten die Konsole so, dass der gitarrenförmige Controller den Instruktionen der Trainingsmaschine für ihre Amputationspatienten gehorchte.

Mitte Oktober testeten sie ihr modifiziertes Guitar Hero, getauft auf den Namen "Air Guitar Hero", erstmals an einem Patienten - dem Irak-Veteran Jon Kuniholm, der vor drei Jahren seine rechte Hand verlor. "Es macht Spaß", konstatierte der - und erreichte eine Bestleistung von bis zu 70 Prozent Tontreffer. "Man tut etwas wirklich simples - es ist keine Raketenforschung. Aber man muss es schnell tun und richtig timen."

Nun haben Kuniholm, Arminger und Vogelstein große Pläne mit ihrer Air Guitar Hero Konsole. Derzeit sei Air Guitar Hero kaum mehr als eine Demoversion, soll aber noch weiter entwickelt werden. Und die universitären Konsolenhacker haben auch schon ein neues Spiel auf dem Kieker: Als nächstes wollen sie Wii Tennis für Amputierte spielbar machen.

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