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Kolumne GerüchteAnbaggern auf Naturgrundstück

Erlebnisgeschenke sind in - doch dürfen sie nicht die drei goldenen Regeln zum Gabentausch verletzen.

A uch mir stellt sich seit Montag wieder in voller Härte und Kälte die Dezemberfrage. Sie wissen schon. Die Frage schiebt sich unerbittlich in den Dezember hinein, wie der Schnee vorm Räumgerät. Der Druck steigt. Bis zum 24. Der Dezember ist wahrscheinlich die einzige Zeit im Jahr, in der man tatsächlich die bunten Prospektseiten von "Pro Idee" durchblättert oder im Netz durchklickt. Die Firma ist ein Lieferant für garantiert überflüssige Dinge, tarnt das aber geschickt mit dem hübschen Adjektiv "originell".

taz

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Sozialpolitik im Inlandsressort der taz.

Doch soll man tatsächlich so tief sinken, der Freundin ein "aufblasbares Gewächshaus" für ihre Kübelpflanzen auf dem Balkon zu schenken? Oder das "Staubsauger-Deo", das in Form eines Granulats mit Vanilleduft erst auf den Teppichboden gekippt und dann vom Staubsauger aufgenommen wird und so die Luft veredelt? Abzuraten ist auch vom "schlankmachenden Badeanzug". Ich habe so was schon mal zurückgeschickt. Falsche Versprechungen sind ja auch so ein Problem.

Meine Freundin Britt hat zum Thema drei goldene Regeln aufgestellt. 1. Geschenke dürfen niemals dick machen. Das erklärt sich von selbst. 2. Geschenke dürfen keine Mühe machen. Nur Laien schenken also Kübelpflanzen, die regelmäßig gewässert werden müssen. Auch der nicht abgesprochene 800-Seiten-Wälzer ist keine gute Idee, schließlich werden damit gleich vier Wochen abendliche Lesezeit geraubt. 3. Geschenke dürfen nicht zu viel Platz beanspruchen. Das spricht für den "Fahrrad-Lift" von Pro Idee, eine Art Seilzug, der an der Decke befestigt wird und solcherart Fahrräder in die Höhe hieven und dort lagern kann. Mit dem Lift kann man auch gleich überflüssige Geschenke mit entsorgen, ohne sie mit schlechtem Gewissen in den Abfall werfen zu müssen.

Die Lösung für zu viel Materie ist das immaterielle Geschenk. Erlebnisse, verkündet die Glücksforschung, machen glücklicher als der Besitz von Dingen. Ich sage jetzt mal nur: Ballonfahrt. Dreimal wurde diese Fahrt in meinem Freundeskreis schon verschenkt. Soll ja auch ein schönes Erlebnis sein.

Ich selbst habe aber bei einem privaten Nachrichtensender mal einen Amateurfilm betextet über einen Ballon, der in Flammen aufging und dann nach oben schoss. Mit den Menschen drunter, die nicht mehr rechtzeitig abspringen konnten aus der Gondel. Das heißt, einer sprang ab. Aus 20 Meter Höhe. Der Film lief bei diesem Nachrichtensender alle halbe Stunde. Ballonfahrten kommen für mich also nicht infrage.

Der Erlebnisgeschenkmakler Jochen Schweizer bietet aber noch andere Gutscheine in verschiedenen "Erlebniskategorien" an, etwa "Fliegen & Fallen", "Erlebnisse mit Tieren" oder "Motorpower". Man kann eine halbe Stunde einen Helikopter selbst fliegen, aus 100 Meter Höhe angeseilt von einem Gebäude springen oder auch einen Falkner Workshop buchen in Österreich inklusive Kontakt zum Greifvogel.

"Schlittenhundekurs" sage ich zu Christoph, "das wäre doch was." Kontakt mit der Tierwelt und dem Eis. Die Thermoanzüge sind inbegriffen. Christoph guckt erschrocken. "Vielleicht fällt dir ja noch ein anderer Wunsch ein", meine ich leichthin. Die Regel, dass ein Geschenk auch für den bedachten Partner nicht zu viel Mühe erfordern soll, muss eingehalten werden.

Christoph denkt jetzt nach über einen Wunsch. Viel Zeit ist nicht mehr bis Weihnachten. Wenn nichts kommt, bliebe noch die Baggerfahrt, für 99 Euro. Holger aus Reichersbeuren hat im Internet einen positiven Erlebnisbericht geschrieben, denn mit dem gemietetem Bagger ("das Erlebnis dauert je nach Ort 45 bis 60 Minuten") kann man nach einer Einweisung "einen tiefen Graben buddeln, Erdschichten nacheinander abtragen und einfach das Gefühl haben, mit der Schaufel so viel Erde, wie man möchte, bewegen zu können". Das Erlebnis findet irgendwo bei Berlin auf einem "naturbelassenen Grundstück" statt. Ökologie ist wichtig. "Geschenke", sagt Britt, "dürfen keinen Müll hinterlassen." Da ist was dran.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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