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VolksbegehrenChristen contra Pro Reli

Eine christliche Initiative spricht sich gegen das Volksbegehren Pro Reli aus. Sie kritisiert auch das Vorgehen der Kirchen. Die werben im Advent noch stärker für Religionsunterricht an Schulen.

Wie gehts weiter mit dem Religionsunterricht an den Schulen: "Pro Reli" hofft auf mehr Beteiligung Bild: ap

Die Kirchen wollen die Adventszeit nutzen, um für das Volksbegehren Pro Reli verstärkt zu mobilisieren. Gleichzeitig regt sich der Protest in den eigenen Reihen: Eine Initiative namens "Christen pro Ethik" distanzierte sich am Dienstag nicht nur deutlich von der Position der Landeskirchen. Sie kritisierte auch deren Vorgehen. Die evangelische Kirche trage das Anliegen "mit enormen propagandistischem Aufwand" in die Gemeinden, berichtete Stephan Frielinghaus, Pfarrer im Französischen Dom am Gendarmenmarkt. "Wir werden mit einer Vielzahl von E-Mails bombadiert und aufgefordert, unser Quantum an Unterschriften zu liefern."

Die Initiatoren von Pro Reli wollen erreichen, dass die Schüler zwischen Ethik- und Religionsunterricht wählen können. Der Senat hatte 2006 einen verpflichtenden Ethikunterricht von der Klasse sieben bis zehn eingeführt. Religion kann in Berlin - anders als in den meisten Bundesländern - nur als freiwilliges Zusatzfach gewählt werden.

Um einen Volksentscheid zu erwirken, müssen die Pro-Reli-Leute bis zum 21. Januar 170.000 Unterschriften sammeln. Zur Halbzeit verfügte der Verein nach eigenen Angaben über 70.000 Unterschriften.

Sollte sich Pro Reli durchsetzen, würde der gemeinsame Ethikunterricht wegfallen. Die Christen pro Ethik halten das für falsch. "Es muss ein Fach geben, in dem Schüler unterschiedlicher Herkunft über Werte und Normen miteinander diskutieren können", sagte Frielinghaus. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass eine wachsende Zahl von Schülern beispielsweise zum Thema Homosexualität nur etwas im islamischen Religionsunterricht erfahre. Ähnlich verhalte es sich mit dem Thema Abtreibung im katholischen Religionsunterricht.

"Gemeinsame Werte, Respekt und Toleranz sind für das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer multikulturellen und multireligiösen Stadt wie Berlin unverzichtbar", heißt es in einer Erklärung der Initiative. Zu den rund 100 Unterzeichnern gehören zahlreiche Theologen und Pfarrer. Auch der Publizist Eugen Drewermann, der frühere Generalsekretär von "Pax Christi", Joachim Garstecki, und die ehemalige brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger haben unterschrieben.

Sie stehen mit ihrer Meinung nicht allein: Nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind 53 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass es einen gemeinsamen Ethikunterricht geben sollte, an dem alle Schüler teilnehmen. 44 Prozent finden dagegen, dass die Schüler zwischen einem Religions- und Ethikunterricht wählen sollten.

Die Kirchen sprachen sich am Dienstag erneut für Pro Reli aus - und wiesen die Kritik, sie würden ihre Mitglieder unter Druck setzen, zurück. "Es steht den Gemeinden frei, zu entscheiden, ob sie das Volksbegehren unterstützen", sagte der Sprecher der evangelischen Kirche, Volker Jastrzembski. Auch der Sprecher der Erzbistums, Stefan Förner, betonte: "Jeder hat die Freiheit, nicht zu unterschreiben."

Pro Reli will in der Adventszeit noch mal einen Zahn zulegen: Auf Weihnachtsmärkten und bei Gottesdiensten werde der Verein um Unterschriften werben, sagte der Vorsitzende Christoph Lehmann. Mit Plakaten, die auf Fahrzeugen durch die Stadt kurven, werde man zudem auf das Volksbegehren aufmerksam machen. Trotz der Kritik verstärken auch die Kirchen ihre Bemühungen: Bischof Wolfgang Huber und Georg Kardinal Sterzinsky wollen die Kirchenmitglieder in einem Brief um Unterstützung für Pro Reli bitten.

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4 Kommentare

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  • SK
    Stefan Klein

    Kontra “Pro-reli” !

     

    Die Initiative “Pro Reli” war mit ihrem Volksbegehren in diesen Tagen erfolgreich! Mehr als 300.000 Unterschriften wurden in Berlin gesammelt, um folgende Forderung im Rahmen eines Volksentscheides, der in den nächsten Monaten stattfinden wird, durchzusetzen: Den Schülern in Berlin soll zukünftig nicht mehr - wie bisher üblich – ab der 7. Klasse der furchtbare Zwang auferlegt werden, das Fach “Ethik” besuchen zu müssen. Statt dessen sollen sich die Schüler dann zwischen den Fächern “Ethik” ODER “Religion” entscheiden dürfen. Merke: Es ist auch jetzt schon in Berlin möglich, daß die Schüler ZUSÄTZLICH zu dem Fach Ethik das Fach Religion besuchen.

     

    Was ist von einer solchen Forderung zu halten? Hier ist, was ich denke:

     

    Die Ethik oder auch Moralphilosophie beschäftigt sich mit der Erarbeitung von allgemeingültigen Normen und Werten, an denen sich menschliches Handeln orientieren kann. Die Forderung, einen Teil der Schüler davon zu “befreien” erscheint anti-aufklärerisch und integrationsfeindlich. Religion ist Privatsache - ethisches Verhalten jedoch nicht. Der Grund, warum das Fach Ethik für leider über 300.000 religiöse Fundamentalisten in Berlin offensichtlich eine Bedrohung darstellt, liegt auf der Hand: Mit der Erarbeitung allgemeingültiger Normen und Werte wird ein kritisches, selbständiges, rationales und tolerantes Denken angeregt, das zwangsläufig zur Infragestellung religiöser Dogmen und Gedankengefängnisse anregt. Religiöse Fundamentalisten halten jedoch nicht viel von der Selbstbestimmung ihrer Kinder, wenn es um Glaubensfragen und ethisches Verhalten geht. Entsprechend weckt das Fach “Ethik” bei ihnen Ängste, die religiöse Indoktrination ihrer Nachkommen könnte am Ende doch noch scheitern. Aber: Wenigstens in der Schule – wenn schon nicht zu Hause – sollten die Kinder religiöser Fundamentalisten die Chance erhalten, sich ihre eigenen Gedanken über die Welt und ihre Lebensweise zu machen. In vielerlei Hinsicht ist eine gelungene Integration in die Gesellschaft gerade von der Überwindung dogmatischer Glaubensinhalte abhängig. Ich erinnere z.B. daran, daß auch heute noch triebfeindliche religiöse Moralvorstellungen die Psychotherapiepraxen mit Menschen füllen, die an ihren Schuldgefühlen und Versündigungsideen zerbrechen. Es gibt leider auch noch im 21. Jahrhundert Männer, die sich nicht einmal beim Pinkeln trauen, ihren Penis in die Hand zu nehmen. Auf der gesamten Welt macht man gerade die Erfahrung, daß die Tugendhaftigkeit sogenannter “radikaler” Moslems in deren Glaubenskreisen daran gemessen wird, wie viele Ungläubige sie bei einer Bombenexplosion mit in den Tod gerissen haben.

    Um es kurz zu machen: Das Land Berlin kann es sich meiner Meinung nach nicht leisten, den Kindern religiöser Eiferer zukünftig den Ethik-Unterricht vorzuenthalten - aus Mitgefühl mit den Kindern sowie aus Mitgefühl mit sich selbst. Wir sollten uns daher dazu ermuntert fühlen, beim kommenden Volksentscheid dem religiösen Fundamentalismus eine deutliche Absage zu erteilen.

  • FB
    Florian Bultmann

    Vergleiche auch deren Homepage:

     

    http://www.christen-pro-ethik.de

  • HS
    Henning Schluß

    Die Initiative "Christen pro Ethik" zeigt, wie plural die Kirchen verfasst sind. Es gibt in ihnen eben nicht den Zwang für das Volksbegehren zu unterschreiben, sondern selbst Pfarrer, die von eben dieser Kirche ihr Gehalt beziehen, äußern sich frei und zu Recht ohne Angst vor Konsequenzen zu einer politischen Frage. Allerdings kann auch niemand denen den Mund verbieten, die gute Gründe für ein vom Grundgesetz als Regel beschriebenes, ordentliches Unterrichtsfach Religion beibringen. Daß die katholischen und die evangelischen Bischöfe so offensiv das Grundgesetz verteidigen, könnte doch zumindest einmal gewürdigt werden. Deutlich ist, daß die Mehrheit in der Berliner SPD und der Partei "Die Linke" hier eine andere Regelung als die vom Grundgesetz als Regel vorgeschriebene Lösung möchte. Das ist auch legitim. Dennoch warten wir noch auf die Inititive "Linke pro Reli" oder "SPDler Pro Reli". Auch wenn Umfragen zeigen, daß die Meinungen zu dieser Frage in allen politischen Parteien geteilt sind, haben bislang nur die Kirchen Initiativen mit unterschiedlichen politischen Zielen zu dieser Frage in ihren Reihen. Wenn man genau in die Parteien hineinhört, dann bekommt man aber oftmals erstaunliches zu hören. Der Bundesvorsitzende der Linken z.B., Lothar Bisky, teilte auf einem Podium der Evangelischen und Katholischen Akademie am 4.12. in aller Offenheit mit, daß er das Brandenburger Modell eines Unterrichtsfaches LER, von dem man sich zugunsten des Religionsunterrichts abmelden könne, bevorzugt. Eine solche Wahlmöglichkeit will die Initative "Für Wahlfreiheit" auch, wobei sie betont, dass Kooperationen zwischen beiden Fächern verbindlich sein sollen. Lothar Bisky würde demnach das Anliegen des Volksbegehrens in Berlin teilen. Soll Lothar Bisky doch mal eine Initiative in der Linken gründen.

  • HD
    Hansjörg Dodenhöft

    Gut, dass endlich auch prominente Kirchenmitglieder einen gemeinsamen Ethikunterricht unterstützen und nicht das konfessionalistische Geschäft der beiden Kirchen betreiben. Die beschriebene Vorgehensweise der Kirchen, mehr oder weniger starken Druck auszuüben, zeigt, dass sich die Bischöfe immer noch nicht mit der Rolle von Gesprächspartnern in einer pluralen und säkularen Gesellschaft begnügen

    können, sondern dominieren wollen. Nichts gelernt aus der unrühmlichen Vergangenheit!