Neue Stammzellen-Behandlung: Beutel mit Zellen gegen Schlaganfall

In Hannover bekam ein Schlaganfallpatient erstmals gespendete und gentechnisch veränderte Stammzellen in das Gehirn implantiert. Die Operation war ein Erfolg.

Fortschrittlicher Teebeutel: Säckchen mit rund 500 Alginatkapseln, in denen die Stammzellen sind. Bild: dpa

Zum weltweit ersten Mal hat ein Team von Ärzten und Wissenschaftlern in Hannover einem Patienten genmanipulierte Stammzellen einer fremden Person ins Gehirn transplantiert. Vorgenommen wurde die Operation von dem Neurochirurgen Amir Samii am International Neuroscience Institute (INI) in Hannover bei dem 49 Jahre alten Walter Bast aus Bremen.

Dieser hatte wenige Tage zuvor nach zwei aufeinander folgenden Schlaganfällen eine Hirnblutung erlitten. Die in eine Art Teebeutelchen verpackten Stammzellen wurden nach der Entfernung des Blutgerinnsels eingebracht, um bestimmte Proteine zu produzieren, welche den Wundheilungsprozess intensivieren.

Sogenannte adulte Stammzellen befinden sich an vielen Stellen im menschlichen Körper. Sie bekommen ihre endgültige Aufgabe erst vom Organismus selbst zugewiesen. Gegen ihre Nutzung gibt es im Unterschied zu den embryonalen Stammzellen auch keine ethischen Vorbehalte, da zu ihrer Gewinnung keine Embryonen getötet werden müssen.

Für den Heilversuch am INI wurde zuvor von der Firma CellMed in Alzenau eine einzige, 1999 in Dänemark von einem Erwachsenen gespendete Zelle gentechnisch so verändert, dass sie neben wachstumsfördernden und entzündungshemmenden Eiweißen das Wachstumshormon GLP1 für Nervenzellen absonderte. Diese Zelle wurde dann millionenfach vermehrt.

Die Verpackung ist der Clou bei der neu erprobten Methode. Die von den Stammzellen produzierten heilkräftigen Proteine lassen sich nämlich in reiner Form nicht ins Hirn einschleusen, da sie sich auf diesem Wege zersetzen. Das Hannoveraner Team kam daher auf die Idee, sie erst am Zielort von den fremden Stammzellen produzieren zu lassen. Doch wie deren Abstoßung verhindern? Der erste Schritt bestand darin, je etwa 3.000 davon in einer Hülle aus Algensubstanzen zu verkapseln. Diese Membran ist für die Produkte der Stammzellen durchlässig, nicht aber für die Killerzellen des menschlichen Immunsystems.

Um auch Langzeitnebenwirkungen zu verhindern, suchte man noch nach einer Form, wie die kleine Pharmafabrik nach getaner Arbeit wieder aus dem Kopf entfernt werden kann. Die Lösung bestand darin, etwa 2.400 Alginatkapseln in ein 1,5 mal 1,5 Zentimeter großes Kunststoffnetz mit einem Herausziehfaden zu vernähen.

Das INI ist eine Privatklinik. Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten einer Behandlung dort selber tragen, falls ihre Kasse für sie nicht eine "Einzelfallentscheidung" trifft, also eine Ausnahme macht. Seine Forschungsabteilung finanziert das Institut durch Industriekooperationen. An der Universität Peking wurde nach hannoverschem Vorbild das "China-INI" unter Leitung des in Teheran geborenen Professor Madjid Samii (Vater von Amir Samii) gegründet. Baubeginn war im Sommer vergangenen Jahres.

Bei dem Dreher Walter Bast wurde das Beutelchen mit den fremden Zellen nach 14 Tagen aus dem Kopf entfernt. Während er nach der Gehirnblutung gelähmt gewesen war und schwere Sprachstörungen hatte, präsentierte er sich eine weitere Woche später, am Dienstag, der Presse guter Dinge: "Es geht mir super."

Das Hannoveraner Team versichert, die neue Heilmethode für Gehirnwunden habe sich in Tierversuchen gegenüber dem "einfachen Abwarten" weit überlegen gezeigt. Die Wirkung beim Menschen ist jedoch mit der Operation an Walter Bast nicht ausreichend erwiesen. Theoretisch könnte sich sein Zustand einfach durch die Entfernung des Gerinnsels gebessert haben. Bevor nicht weitere Erfahrungen vorliegen, ist vorerst nur eines bewiesen: diese Methode schadet nicht.

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