Kolumne Press-Schlag: Ein Verein wie eine Provinzhure

Man hätte es wissen können: Eine falsche Kalenderpolitik begleitet den Niedergang von Borussia Mönchengladbach.

Zu den gefährlichsten Tätigkeiten im Fußballbusiness gehört das Erstellen von Mannschaftsbildern. Gedacht als Dokument von stolzer Gegenwart und hoffnungsfroher Zukunft zugleich, sind die Bilder oft schon beim Rotieren der Druckmaschinen veraltet. Spieler haben sich plötzlich ihrer Ausstiegsklausel erinnert und sind über alle Berge. Wegretouchiert oder geschwärzt werden sie nicht, sondern bleiben im Bilde. Gut ein Dutzend Fälle sind es im aktuellen Klassiker des Saisonvorschau-Prophetie, dem Kicker-Sonderheft.

Wenn Personal dazukommt (oder beim Foto-Termin noch urlaubend ist, unpässlich wegen Reha etc.), bleibt als letzter Ausweg das Einklinken: Kleine Porträtaufnahmen werden mit dieser sehr eleganzfreien Methode einfach am Rand dazugesetzt. 26 solcher Klinkkicker sind es im Heft 08/09, allein sieben bei Bayer Leverkusen. Ein weiteres Dutzend ist selbst zum Einklinken zu spät gekommen - die Spitzenplätze belegen der HSV und Wolfsburg. Das Heft ist also bei Erscheinen altpapierreif.

Dabei werden bei Fototerminen zur Saisonvorbereitung mittlerweile Alternativaufnahmen mit und ohne Spieler x oder y gemacht, falls ein Verdacht auf Abwanderungswillen oder spätes Aussortieren besteht. So kann man ein paar Tage bis zur Druckentscheidung gewinnen. Das ist wie mit dem neuen Schwiegersohn bei Goldener Hochzeit oder rundem Geburtstag: Bedächtige Jubilare machen Erinnerungsfotos mit und ohne Familienzugang. Wer weiß, ob man den Kerl in fünf Jahren bei seliger Erinnerung noch sehen will.

Damit sind wir bei Borussia Mönchengladbach, wo die Spielerfluktuation (an die hundert in fünf Jahren) so ausgeprägt ist wie das Kommen und Gehen in der Kemenate einer Provinzhure. Dieser für Fans womöglich empörende Vergleich passt deshalb, weil in Gladbach jahrzehntelang als einzigem Stadion der Republik regelmäßig und lauthals für ein Bordell ("Im Harem", Arsbeck) geworben wird: "Ob Norden, Süden, Osten, Westen - Heppos Frauen sind die besten".

In diesem Umfeld sind die Macher von Fußball-Jahreskalendern besonders zu bemitleiden. 12 verdiente Spieler der Borussia zieren die Seiten der 12 Monate 2009. Das Problem: Bevor das Jahr überhaupt beginnt, werden sechs oder sieben der glorreichen zwölf schon gar keine Rolle mehr spielen. Oktober-Rösler: jetzt schon aussortiert, Juli-Ndjeng, August-Heimeroth, November-Brouwers: Abgang empfohlen. Der Juni-Colautti: meist Tribüne, der Mai-Neuville: Gnadenbrot Reservebank. Gut, dass Marko Marin schon im März aufgeblättert wird, ab Juli dürfte er woanders herumdribbeln. Bei dieser Kalender- und Personalpolitik ist der letzte Tabellenplatz nach dem 1:3 gegen die Einklink-Champions aus Leverkusen nur konsequent.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.