Stoiber büßt

aus München MAX HÄGLER

Wenn er nicht vor einem stünde, man würde es kaum glauben. „Es tut mir Leid!“, schallt es aus den Lautsprechern der Münchner Messe. Und: „Ich leide wie ein Hund!“ Das sind Worte, die man selten gehört hat vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Doch an diesem Montag beim kleinen Parteitag der CSU will er sanft die Zimbel schlagen, um endlich, endlich wieder Fuß zu fassen in seiner Partei. Der Partei, „die ein Stück meines Lebens“ ist, wie er den rund 200 Delegierten erzählt. Die Partei, die ihn gescholten hat als Wendehals, als Egoisten und manchmal auch als Feigling. Deren Nachwuchs am Wochenende zum Putsch aufgerufen hat und ein Umbildung des Kabinetts fordert.

In aller Öffentlichkeit, zur Einleitung der Koalitionsbesprechung beim kleinen Parteitag der CSU tut Edmund Stoiber deshalb das beinah Undenkbare. „Es tut mir Leid, dass meine Entscheidung die Partei in eine schwierige Lage gebracht hat“, sagt er in München. Angetreten war er eigentlich, um den Vertrag vorzustellen, den Union und SPD in den letzten Wochen ausgehandelt haben, den er eigentlich auch als Bundeswirtschaftsminister umsetzen sollte. Bis er Anfang November genug hatte von Berlin und Merkel und den miesen Aussichten dort und sich wieder nach München schlich, zu seinem Ministerpräsidentenjob.

Viel Kritik gab es für dieses Hin und Her. Jetzt allerdings, so versichert der verhinderte Bundesminister, sei wieder alles beim Alten: „Im intensiven Dialog will ich Bayern wieder in meinen politischen Mittelpunkt rücken.“ Zu den Bürgern und Wählern in den kommunalpolitischen Niederungen will er gehen: „Ich möchte das Gespräch mit den Bürgermeistern und Landräten im ganzen Land vertiefen!“

Und auch bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages versucht Stoiber klar zu machen, dass seine Partei das Land voran bringt, ohne den Bürgern das allerletzte Geld aus der Tasche zu ziehen. Wer noch mehr sparen wolle als die 15 Milliarden, die die große Koalition zusammengestrichen hat, der müsse die Renten und das Kindergeld kürzen. „Das ist mit uns nicht zu machen“, beteuert er. Und legt gleich weiter nach in Richtung Großindustrie: „Ich akzeptiere nicht kritisiert zu werden, wie das Pischetsrieder, der Mercedes-Chef oder der Wiedeking von Porsche tun!“ Diese Leute würden erst Arbeitsplätze vernichten und danach kluge Ratschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geben.

Den Koalitionsvertrag winkt der Parteitag einstimmig durch. Das funktioniert noch. Aber nur klammen Beifall gibt es für Stoiber. Keine Standing Ovations, keinen freudigen Händedruck der anderen Parteimanager. Dafür eine trockene Analyse aus seinem Kabinett: „Stoiber hat bewusst diese Haltung angenommen, die die Leute von ihm erwarten. Aber das heißt nicht, dass er am Wochenende gleich gesamt in ein Läuterungsbad gestiegen ist“, urteilt sein Wissenschaftsminister Thomas Goppel gegenüber der taz. Sein Vorgänger Hans Zehetmair gibt sich ein wenig versöhnlicher: „Die Rede war gelungen, sie war nicht vom Kreidefressen geprägt.“ Als Kritiker sei er diesmal aber „positiv überrascht“. Genau hingehört hat Zehetmair aber dennoch: „Ich war erfreut, dass die Delegierten nicht in Beifall ausgebrochen sind.“ Viel glaubwürdiger sei das als ein Jubelsturm.

Der wäre nach Ansicht von Alfred Sauter, ehedem Justizminister, auch nicht möglich gewesen. „Die Stimmung hat sich nicht wesentlich gebessert zur letzten Woche“, urteilt der Landtagsabgeordnete und Intimfeind des Ministerpräsidenten. Und auf die Frage, wie lange die Ära Stoiber noch andauere, orakelte er: „In den letzten Jahren kommt es immer anders, als man denkt. Auch in Bayern. Oder haben Sie gedacht, dass es Neuwahlen gibt. Oder dass Stoiber zurückkommt. Oder das Wiesheu geht? Wir werden sehen.“