Klimapaket auf EU-Gipfel: Eiskalter Egoismus sorgt für heiße Luft

Europa auf dem Weg zum großen Klimakompromiss: Jedes Land will in Brüssel seine Sonderwünsche durchsetzen

Die Zeit, um gegen den Klimawandel aktiv zu werden, läuft. Bild: ap

BRÜSSEL taz Am heutigen späten Nachmittag beugen sich die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel über Vorschläge, die im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzespaket der EU-Kommission bereits ziemlich zerfleddert sind. Da Ratspräsident Sarkozy zunächst erklärte, dem Kompromiss müssten alle 27 Mitgliedsländer zustimmen, wird es in der langen Nacht zum Freitag weitere Zugeständnisse geben.

Mehr als fünf Gesetzesvorschläge müssen die Gipfelteilnehmer entscheiden. Ausstoß bei Neuwagen ab 2012 wurde bereits in Vorverhandlungen weitgehend verabschiedet. Beim Gesetz über erneuerbare Energien liegt seit Dienstag ein Kompromiss zwischen Rat und Parlament vor. Danach wird das Ziel, bis 2020 ein Fünftel der Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, nicht angetastet. Frankreich will aber weiterhin erreichen, dass Atomstrom zumindest teilweise auf seine Biostromquote angerechnet wird. Italien will eine Überprüfung seines Beitrags zu den erneuerbaren Energien 2014. Darüber hinaus sind die Nachhaltigkeitskriterien für Agrosprit aus Sicht des Parlaments zu schwach. Heftiger Streit steht allerdings noch aus: Wie werden die Sparziele beim Ausstoß von CO2 auf die Mitgliedstaaten verteilt? 55 Prozent des Klimagases entstehen durch Hausheizungen, Verkehr oder Landwirtschaft, die nicht im Emissionshandelssystem ETS geregelt sind.

Ferner muss die Frage geklärt werden, ob die Erlöse aus dem ETS ins jeweilige Budget oder gezielt in den Klimaschutz fließen. Das Parlament möchte damit Pilotprojekte für die Kohlenstoffabscheidung aus konventionellen Kohlekraftwerken finanzieren. In den vergangenen Wochen befassten sich auf allen politischen Ebenen Verhandlungsführer des EU-Parlaments, der Kommission und der Mitgliedsländer mit den fünf auf der Tagesordnung stehenden Gesetzen.

Ursprünglich eröffneten Merkel und Sarkozy den Reigen der Sonderdeals Anfang März 2008. Am Rande der IT-Messe Cebit in Hannover verständigten sie sich auf einen Sonderdeal, die CO2-Sparziele in der geplanten Abgasverordnung für Pkw abzuschwächen. Ende November meldeten die Agenturen, auch Italien und Großbritannien seien nun mit im Boot. Das Ergebnis: deutlich mehr Ausnahmen und ein weniger ehrgeiziger Grenzwert. Die Strafzahlungen, die anfallen, wenn ein Hersteller die gesetzlichen Vorgaben nicht einhält, sind deutlich geringer als ursprünglich von der EU-Kommission gefordert.

Parallel zum Gekungel der Auto produzierenden Mitgliedstaaten saßen Abordnungen von Rat, Parlament und Kommission im sogenannten Trilog nächtelang am Verhandlungstisch. Denn bei der Umweltgesetzgebung entscheiden Rat und Parlament gleichberechtigt. Es muss also eine Mehrheit der Abgeordneten allen fünf Gesetzen zustimmen. Dafür ist hingegen ein Kompromiss im Rat leichter zu erreichen, denn es genügt dort die qualifizierte Mehrheit. Warum Ratspräsident Sarkozy sich den Mitgliedstaaten gegenüber auf Einstimmigkeit festlegte und damit ohne Not jedem Land ein Vetorecht in die Hand gibt, bleibt sein Geheimnis. Zugleich vereinbarten Merkel und Tusk Ausnahmen vom Emissionshandelssystem am Rande eines Kabinettstreffens in Warschau. Polen will das ganze Klimapaket blockieren, wenn es keinen Rabatt für seine alten Kohlekraftwerke bekommt. Deutschland wiederum will seine energieintensiven Produktionszweige in der Wirtschaftskrise nicht zusätzlich belasten. Details dieser Absprache wurden zwar nicht bekannt, aber die Bundeskanzlerin erklärte, man zeige Verständnis für die jeweiligen Probleme des Nachbarlandes.

Das bedeutet im Klartext: Polen und Deutschland werden sich gegenseitig dabei helfen, in der Nacht zum Freitag weitere heiße Luft in das Klimapaket zu pumpen, indem sie einen effektiven Emissionshandel aufweichen. Es könnte ein Paket, das nur noch mit heißer Luft gefüllt ist, zum Platzen bringen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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