Benefiz gegen Haushaltssicherung

Gladbeck gibt aus Geldnot seine Städtische Galerie in private Hände. Künstler finanzieren Neubau mit

„Unsere Städtische Galerie ist ein verfaulter Pavillon, der bereits 1963 als Provisorium gedacht war – und es stinkt dort“

Gladbecks Kunstgalerie ist ein alter vergammelter Pavillon in schwedischer Leichtbauweise. Geld für einen Neubau hat die Stadt, die unter dem Haushaltssicherungsgesetz steht, nicht. Also müssen Ideen und Sponsoren her. Das Dorstener Architekturbüro Kurscheid + Partner, das bereits das Jüdische Museum Westfalen errichtete, verzichtete für einen Projektentwurf bereits auf sein Honorar. 300.000 Euro soll der Bau einmal kosten. „Für ein Drittel liegen bereits Zusagen von Sponsoren vor“, sagt Sigrid Godau vom Verein der Freunde und Förderer der Städtischen Galerie im Rathauspark. Der Verein soll nach Ansicht der Kulturbeamten der Geiseldrama-Stadt in Zukunft auch die Galerie übernehmen. Die Kommune will sich dann mit 80.000 Euro am Projekt beteiligen. Das decke gerade die Betriebs- und Personalkosten, so Godau. In Gladbeck legt man die zeitgenössische Kunst-Präsentation in private Hände, um überhaupt noch etwas zu erhalten. Nach einem Jahrzehnt Ausstellungen steht die Stadt-Galerie dort immer noch vor dem Aus. „Wenn wir den Anbau nicht bekommen, stirbt das Unternehmen Kunst in Gladbeck“, sagt Gerd Weggel, der Kurator im Pavillon.

Immer noch klafft zwischen Hoffnung und Realität eine 200.000-Euro-Lücke, die nun innovativ geschlossen werden soll. Mit virtuellen Bausteinen (250 Euro) für die Bürger und mit erbettelter Kunst. Am Sonntag werden in Gladbeck über 50 Arbeiten von einst ausgestellten Künstlern versteigert. Schirmherr ist NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. Mit dem Erlös soll das Finanzierungsloch beim Neubau weiter gestopft werden. Alle wurden angeschrieben, die meisten Künstler haben sich beteiligt. Mit extra angefertigten Werken, aber auch mit großformatigen Bildern, wie der Freiburger Herbert Maier, der 1996 in Gladbeck ausstellte und das Original vom damaligen Plakat opferte.

Dazu kommen noch Arbeiten von renommierten Namen des Kunstmarkts wie Felix Droese, Johannes Brus oder Judith Samen. 40- bis 50-Tausend Euro erhoffe man sich, sagt Weggel. Unmoralisch findet er das Vorgehen nicht: „Auch ich mache das ehrenamtlich“. Dennoch schlügen zwei Herzen in seiner Brust. Aus der Distanz betrachtet, sei das schon eine Ausbeutung der Künstler. Doch in diesem speziellen Fall aber eher ein Bündnis für die Kunst. Auch die Stadt müsse noch nachbessern, trotz Haushaltssicherung. Man könne nicht alles mit Freiwilligkeit abtun.

Für die Kölner Künstlerin Usa Beer, auch ehrenamtliche Vorsitzende der Fachgruppe Bildende Kunst bei Ver.di., ist die Versteigerung doch ein „unmoralisches Angebot“. „Das ist nicht richtig“, sagt sie. Künstler säßen immer am kürzeren Hebel und grundsätzlich fühlten sie sich aufgrund materieller Not zu so etwas verpflichtet. Auch private Galeristen würden diese wirtschaftliche Situation der Künstler bei Kunst-Messen oft ausnutzen und nur unentgeltlich Arbeiten dorthin mitnehmen.

Die Käufer wird das am Sonntag in Gladbeck wenig jucken, die professionellen Sammler sind „Schnäppchenjagen“ zum Jahreswechsel gewöhnt. Benefizveranstaltungen zugunsten von amnesty international oder Sozialdiensten haben in den letzten Jahren zugenommen. Die Qualität der Arbeiten sinkt dadurch immer weiter. Dass es in Gladbeck anders ist, dafür verbürgt sich Kurator Weggel.

Herr des Zuschlaghammers ist der renommierte Kunstwissenschaftler Raimund Stecker, der auch dem Kulturausschuss der Stadt die Bedeutung des Ausstellungsortes klar machte. Der beauftragte daraufhin die Verwaltung, „dem Verein der Freunde und Förderer der Städtischen Galerie im Rathauspark ein Vertragsangebot zur Betriebsübernahme der Städtischen Galerie im Rathauspark zu unterbreiten“. Grundlage soll dafür ein Vertrag sein, den die Stadt bereits mit dem Sportverein Gladbeck 1913 geschlossen hat – zur Übernahme des Freibades.

PETER ORTMANN

20.11., 11 Uhr, Versteigerung19.11., 17 Uhr, VorbesichtigungInfos: 02043-928324