Streit um Haftdauer: Mehr als lebenslänglich

An der Haftdauer von RAF-Terroristen entzünden sich regelmäßig hitzige Debatten. Vergessen wird dabei, dass auch andere "Lebenslängliche" mehr als 20 Jahre hinter Gittern sitzen.

Wie lange ist lang genug? Bild: dpa

26 Jahre saß Christian Klar in Haft. Letzten Freitag kam der ehemalige RAF-Terrorist frei. "Zu früh", zürnten konservative Politiker. Er habe ja nie Reue gezeigt, geschweige denn wenigstens seine Schuld eingestanden. "Zu spät", hört man dagegen von linker Seite. Warum müsse jemand elf Jahre über die Mindesthaftzeit hinaus eingesperrt werden, selbst wenn von ihm nach Einschätzung von Gutachtern keine Gefahr mehr ausgehe?

Wie auch immer man zum Fall Christian Klar stehen mag, die hitzig geführte Debatte zeigt doch vor allem eins: Das Schicksal von Langzeitgefangenen schafft es nur in die Köpfe der Öffentlichkeit, wenn es um Promi-Mörder geht. Und RAF-Terroristen sind in diesen Debatten ganz besonders beliebt.

Dabei ist es keineswegs so, dass die Christian Klars und Brigitte Mohnhaupts die einzigen Menschen in Deutschlands Knästen sind, die eine Strafe weit jenseits der Mindesthaftdauer von 15 Jahren verbüßen müssen, die bei dem Urteil "lebenslänglich" angesetzt ist. Das zeigen die jährlichen Studien der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden (KrimZ). Sie ermittelt seit 2002 die Angaben zur Dauer der Inhaftierung und zu den Gründen der Entlassung.

Die aktuellste, Mitte Dezember veröffentlichte Studie der KrimZ bietet Zahlen aus dem Jahr 2006. Am Stichtag 31. Mai 2006 waren 1.919 "Lebenslängliche" inhaftiert. 40 von ihnen wurden entlassen - überwiegend Männer, überwiegend Mörder, fast ausschließlich mit deutscher Staatsbürgerschaft. Die Durchschnittsdauer ihrer Haftzeit: knapp 18 Jahre.

Zwei Herren haben diese Zahlen offenbar gar nicht gefallen: den Innenministern von Niedersachsen und Bayern, Uwe Schünemann (CDU) und Joachim Herrmann (CSU). Sie machten vor wenigen Tagen den Vorschlag, darüber nachzudenken, die Mindesthaftzeit zu erhöhen. Sie fürchten einen Trend, dass Schwerverbrecher immer kürzer einsitzen.

Das ist nicht ganz falsch. Die KrimZ-Forscher schreiben in ihrer Studie, die Zahlen für das Jahr 2006 würden "einem vergleichsweise niedrigen Wert" entsprechen. So hätten die Landesjustizverwaltungen errechnet, dass zwischen 1945 und 1975 "Lebenslängliche" durchschnittlich etwas mehr als 20 Jahre inhaftiert waren. Für die 1980er-Jahre sei in der Fachliteratur immerhin noch ein Wert von 18 Jahren und sieben Monaten ermittelt worden. Doch zur Wahrheit gehört auch: Die Zahl derjenigen Täter, die zu lebenslanger Haft verurteilt werden, wächst rasant. In den letzten 40 Jahren hat sie sich von gut 1.000 auf knapp 2.000 nahezu verdoppelt - obwohl die Kriminalitätsrate seit Jahren kontinuierlich sinkt.

Und darunter finden sich nicht wenige, die wesentlich länger als 18 Jahre büßen müssen. 2006 waren unter den Entlassenen 13 Verurteilte, die mehr als 20 Jahre einsaßen. Weitere vier kamen gar erst nach mehr als 25 Jahren frei. Insgesamt streute 2006 die Vollzugsdauer zwischen fünf Monaten und 27,5 Jahren, wobei ersterer Fall nicht etwa durch eine Begnadigung, sondern durch einen Selbstmord beendet wurde.

Lohnend ist auch der Blick ins Ausland. Stimmen die Zahlen der KrimZ-Autoren, dann bewegt sich die mittlere Aufenthaltsdauer von zu "lebenslänglich" Verurteilten in England und Wales deutlich unter der hiesigen. Seit 1992 schwanke die Zahl zwischen zwölf und 14 Jahren, heißt es in der Studie. Nicht einmal Verschärfungen durch den Criminal Justice Act 2003 hätten markante Änderungen in der Statistik zur Folge. In Frankreich allerdings sind die Knastaufenthalte länger als hierzulande. "Lebenslängliche", die dort zwischen 1995 und 2004 entlassen wurden, waren gut 19 Jahre inhaftiert.

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