Bei Geldanlagen herrscht Unkenntnis: Verbraucher vertrauen Bankberatern

Während die Deutschen auf der internationalen Vorurteilsskala als Weltmeister im Pessimistischsein gelten, ist es beim Geld genau umgekehrt - nach dem Motto "Augen zu und durch".

Über viel mehr als Geld abheben wissen viele Verbraucher nicht Bescheid. Bild: dpa

Ein Bankier ist ein Zeitgenosse, der Ihnen bei Sonnenschein einen Regenschirm leiht und ihn zurückverlangt, sobald es regnet. (Mark Twain)

So ein Auto funktioniert noch recht einfach. Man kauft es, fährt damit durch die Gegend und merkt bald: Es läuft. Der Verbrauch stimmt mit dem überein, was der Hersteller angegeben hat, die Pannenhäufigkeit hält sich in Grenzen, und der TÜV hat nichts zu beanstanden. Oder es ist umgekehrt: Das Fahrzeug steht öfter in der Werkstatt als in der Garage, in der Zwischenzeit macht es komische Geräusche, und an der Tankstelle würde sich glatt eine Flatrate lohnen, wenn es die gäbe. Für beide Möglichkeiten gilt: Man weiß recht bald, woran man ist.

Anders sieht das bei Geldanlagen aus. Was der Aktienfonds für die Altersvorsorge gerade macht, wie die Zinsen des Sparkontos aktuell stehen oder ob das Zertifikat dem eigenen Anlageprofil überhaupt entspricht - das wissen die wenigsten Deutschen. Ein Fünftel bezeichnet sich als absoluter Anfänger, wenn es um den Umgang mit Geldanlagen geht, 65 Prozent verstehen sich eher als Anfänger als Experten, so eine Studie des ifak-Instituts für Markt- und Sozialforschung. Die 2 Prozent, die von sich behaupten, sich mit Gelddingen komplett auszukennen, sind vermutlich selbst Anlageberater.

Es gibt eine Wissenskluft, das bestätigt Peter Lischke, Finanzexperte der Berliner Verbraucherzentrale: "In einem Beratungsgespräch sitzen den Verbrauchern Experten gegenüber, die Produkte stricken, mit denen sie selbst verdienen wollen." Als würde der Wissensvorsprung, gepaart mit Uninformiertheit und mangelnder Informationsbereitschaft der Kunden, nicht schon reichen, kommt der "Augen zu und durch"-Effekt hinzu: Die Verbraucher vertrauen ihren Bankberatern. Je nach Umfrage glauben zwischen 60 und 80 Prozent der Anleger, dass ihr Berater für sie das Beste aus ihrem Geld macht. Zahlen, die übrigens nach Ausbruch der Finanzkrise erhoben wurden.

Eine aktuelle Studie der TU Berlin zeigt: Der Anleger vertraut seinem Berater vor allem dann, wenn er ihn als kompetent und frei von eigenen Interessen einschätzt. "Aber die meisten Kunden machen sich nicht klar, dass so eine Beratung natürlich Geld kostet und woher das Geld kommt", sagt Lischke. Die in den Provisionen versteckten Kosten für die Beratung würden die meisten lieber ausblenden. Ein Symptom dafür: Unabhängige Finanzberater werden kaum nachgefragt. Während es beispielsweise in Großbritannien gang und gäbe ist, einen Finanzexperten so zurate zu ziehen und zu bezahlen wie etwa einen Steuerberater, ist dieses Vorgehen in Deutschland unüblich. "Dabei würden sich solche Beratungskosten schnell rentieren", meint Lischke.

Dazu kommt: Viele Anleger folgen ihrem Bankberater auch entgegen ihrer eigentlichen Überzeugung. Im Schnitt 30 Prozent änderten im experimentellen Beratungsgespräch ihr Vorhaben, so Studienautorin Julia Belting. "In der Praxis ist der Anteil wohl noch höher, da sich nicht alle Verbraucher im Vorfeld über ihre Präferenzen klar sind."

Die Gesetzeslage ist so, dass schlimmstenfalls der Kunde ausbaden muss, was der Berater ihm eingebrockt hat. Denn egal ob Unkenntnis, schlechte Beratung oder gar Fehlinformationen - geht etwas schief, muss der Kunde beweisen, dass er schlecht oder falsch beraten wurde. Angesichts seitenlanger Fußnoten und Allgemeiner Geschäftsbedingungen in winzigen hellblauen Buchstaben auf der Vertragsrückseite fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Verbraucherzentralen fordern daher eine Beweislastumkehr. Das heißt: In Zukunft soll die Bank beweisen, dass sie richtig beraten hat. "Auch eine Ampel, die die Geldanlagen bewertet, könnte helfen", sagt Lischke. Grün für einen sicheren Bundesschatzbrief, Gelb für einen Aktienfonds und Rot für ein Bonuszertifikat.

Bis dahin müssen sich Anleger anders helfen: einen Zeugen zum Beratungsgespräch mitnehmen, sich Eckpunkte des Vertrages zusätzlich schriftlich bestätigen lassen oder nach einer Kopie der Beratungsunterlagen fragen, in denen die Bank festhält, welches Risiko der Kunde eingehen will - und den Wunsch nach einer sicheren Geldanlage gerne auch mal ein bisschen großzügiger auslegt. Schließlich entscheidet der Kunde, wem er sein Geld leiht.

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