Kommentar Gute Nachrichten 2009: Alles ausdiskutiert

Wir haben es geschafft: Das Jubiläum "40 Jahre 1968" liegt unwiderbringlich hinter uns

Im kommenden Jahr könnte, feierlich und mit allen Schikanen, der 41. Jahrestag der Revolte von 1968 begangen werden. Wohlgemerkt: könnte, denn niemand wird das tun. Dies ist die wichtigste frohe Politbotschaft, welche das nächste Jahr bereithält. Sie betrifft alle ehemaligen Mao-, Stalin-, Trotzk- und Statisten, Strickpullihasser und Pädagogikgeschädigte, RAF-Opfer-Witwen und Sprengfallenverklärer.

Jeder, der bei den vorhergehenden 68-Jubliläen die Gelegenheit versäumt hatte, sich oder andere so öffentlich wie möglich auszupeitschen, konnte dies im vergangenen Jahr nachholen. Alle über 60, die es schon immer besser gewusst hatten oder schlicht zu tumb oder zu unattraktiv waren, um beim Großkarneval ihrer Generation mitzumischen, konnten diese tollen Tage nutzen, um sich auf Teufel komm raus abzugrenzen, einzubringen und um alles ein letztes Mal auszudiskutieren. Es war ein Fest für Speichellecker und Wiederkäuer. Aber es war 2008 - und das ist jetzt vorbei! Nie wieder wird jemand wie Götz Aly Gelegenheit haben zu schreiben, die eigentlichen Nazis seien die jungen Erwachsenen der Revolte gewesen - und nicht etwa ihre Eltern und Großeltern. Nie wieder wird jemand empört das Gegenteil behaupten müssen. Und in zehn Jahren, wenn das fünfzigste Jubiläum von 1968 ansteht, ist die Generation, um die es geht, wohl schon zu einem beträchtlichen Teil in einem Zustand, in den sie sich einst mutwillig unter Zuhilfenahme von LSD und Schwarzem Afghanen versetzte. Zum anderen dürften dank der Klimakatastrophe große Teile des Landes überschwemmt oder verdorrt sein - und alle werden vom Wetter reden, was 1968 bekanntlich nicht opportun war.

Vielleicht stellt sich aber auch eine ganz andere Großlage ein, und wir stehen 2009 vor einem Epochenjahr: ein Jahr, in dem die Jungen endlich alle Fesseln sprengen, die ihnen Postadornoprofessoren und 1968-Junge-Unionisten angelegt haben und - etwas völlig Neues machen. Damit müssen sie sich aber beeilen: denn die ewige Jugend wird das Privileg der 68er bleiben. AMBROS WAIBEL

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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