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Kommentar Zumwinkel-UrteilGeschäft auf Gegenseitigkeit

Kommentar von Andreas Wyputta

Der Deal im Zumwinkel-Prozess hat den Beigeschmack von Klassenjustiz. Auch die derzeit angestrebte Legalisierung von Deals wird daran nichts ändern.

D as Urteil stand schon vorher fest: Wegen Steuerhinterziehung hat das Bochumer Landgericht Ex-Postchef Klaus Zumwinkel mit zwei Jahren auf Bewährung bestraft. Die Richter bestätigten damit ein böses Gerücht, das schon seit Wochen über die Gänge der Justizgebäude am Bochumer Westring geisterte: Sollte Zumwinkel geständig sein, müsse er das Gefängnis auf keinen Fall fürchten, hieß es. Milde gegen Reue laute das Geschäft auf Gegenseitigkeit, auf das sich Anklage und Verteidigung bereits im Vorfeld geeinigt hätten.

Dieser in Hinterzimmern geschlossene Deal schadet dem Ansehen der Justiz: "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen", hatten Demonstranten schon vor dem Urteil vor dem Gerichtsgebäude plakatiert. Sie dürften sich jetzt bestätigt fühlen. Zwar bemühte sich die Anklage um eine umfangreiche Begründung, warum Zumwinkel lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden solle: Der Exmanager sei geständig, reuig und verfüge über einen bisher tadellosen Lebenslauf - ganz so, als sei sie Zumwinkels Verteidigung.

Wesentliche Fragen sparte sie dabei jedoch aus: So bestand Zumwinkels liechtensteinische Stiftung bereits seit 1986. Vor Gericht zur Sprache kam lediglich seine Steuerhinterziehung von 2002 bis 2006. Dass der ehemalige Berater der Bundesregierung bereits davor Millionen Euro Steuern hinterzog, erwähnte der Staatsanwalt nur nebenbei. Ob und wie dieser zusätzliche Steuerbetrug in Millionenhöhe Einfluss auf das beantragte Strafmaß hatte, davon erfuhr die Öffentlichkeit nichts.

Was bleibt, trägt den unangenehmen Beigeschmack von Klassenjustiz. Trotzdem ist Justizministerin Brigitte Zypries gerade dabei, Deals zwischen Verteidigung und Gericht auch offiziell zu legalisieren. Strafprozesse würden damit transparenter, argumentiert die Sozialdemokratin. Das Gegenteil ist der Fall, wie der Prozess zeigt: Getroffen werden die Absprachen vor allem zwischen Verteidigung und Anklage. Nur gehen die Gerichte selten über das von den Staatsanwälten beantragte Strafmaß hinaus - und schüren so das Misstrauen gegen die Justiz.

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Inlandskorrespondent
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7 Kommentare

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  • Y
    Yakitora

    Klar ist der Eierdieb mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen, genauso wie man dem ALG2-Empfänger ungefragt Spitzel ins Haus schicken darf.

    Aber: Die Justiz knickt nicht vor "besseren" Leuten ein, nein! Sie ist nie vor denen aufgestanden. Das ist das Problem.

  • KB
    karl berger

    soweit ist heute also Justizia in Deutschland -

    und dann wundert man sich dass die Braunen wieder ins Spiel kommen

  • KN
    Karl Napf

    Verfahrensabsprachen okay-aber gibt es die dann auch für den "Eierdieb", oder wird der mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft, weil er ja eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt? Verarschen kann ich mich mich selbst, Frau Zypries!

    Im Urteil war wohl auch von fehlender Wiederholungsgefahr die Rede, und im aktuellen FAZ-Interview kündigt er an, weiter einer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen zu wollen (anstatt sich auf seine italienische Altersresidenz zurückzuziehen, wie er anmerkt). Zum einen passt da was nicht zusammen, denn da kann er lustig wieder das Finanzamt betrügen, zum anderen fragt man sich , ob der Mann den Hals nicht voll bekommt? Er hat doch bestimmt so viel zusammengerafft, dass jeder normale Mensch glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage leben könnte, hätte er nur wenige Prozent seines Vermögens.

    Zur Erinnerung:Früher bekam ein Briefträger Berufsverbot, wenn er in der DKP war, aber diese Herren dürfen weiter ihren Geschäften nachgehen.

    Zumwinkels Verhalten stellt eine Gefahr für die Gesellschaft dar, weil es symbolisch ist für maßlose Gier, fehlendes Unrechtsbewußtsein, Egoismus und Gewissenlosigkeit. In bester Gesellschaft mit vielen anderen Herren aus den Führungsetagen, sowie unserem Ex-Kanzler Schröder.

    Das Beste für diese Herren wäre: Enteignung und danach ein Leben auf dem Niveau von HARTZ IV, da hätten sie Zeit zum Nachdenken.

  • JS
    Jack Salinger

    Interessant: Um die Staatsanwaltschaft zu entlasten, wird auf die Verfolgung weiterer Straftaten verzichtet. Sind die zu faul oder was? Klau einer nen CD-Player, und danach macht er Kreditkartenbetrug, Drogenhandel und killt jemand. Er wird wegen Diebstahls eines CD-Players verurteilt, der Rest fällt wegen Überlastung der Staatsanwaltschaft unter den Tisch. Wo sind wir denn hier? In einem Rechtsstaat? Ne, wir sind in der realpolitischen Deutschland-AG. Da möchte ich nicht angestellt sein.

  • R
    Rechtsstaat?

    Das Urteil stand schon vorher fest...Ts, Ts, Ts, sagen Sie doch bitte so etwas nicht, Herr Wyputta, das wird der Richter gar nicht gern hören.

    Vor Prozeßbeginn legte er ja extra Wert auf die Unterscheidung, dass es zwar 'Vorgespräche' aber keine 'Absprachen' mit vorweggenommenem Urteil gab.

    Das ganze sollte doch zumindest noch nach was Rechtsstaatlichem aussehen.

    Aber, unter uns gesagt, Herr Wyputta, sie haben ja recht.

  • R
    rugero

    Der Trick mit der "Verjährungspanne", die Herrn Zumwinkel gerade unter den Millionenbetrug brachte und somit weg von der sonst zwangsläufigen Gefängnisstrafe, war genial.

     

    Jeder weiß was passiert ist, aber niemand kann etwas nachweisen.

     

    Damit haben wir dann auch ein klares Zeichen für andere Großsteuersünder: Fürchtet Euch nicht, es passiert Euch nichts.

  • MN
    mein Name

    Verfahrensabsprachen gibt es schon seit vielen Jahren - auch ohne Gesetz. Insofern ist der Schritt unserer Justizministerin tatsächlich - anders als Herr Wyputta zu meinen scheint - ein Schritt in Richtung Transparenz und Anerkennung dessen, was seit langem Realität ist.