Sprüngchen vorwärts, immerhin

TANZ Der spanische Choreograf Nacho Duato folgt auf Vladimir Malakhov als Intendant des Berliner Staatsballetts. Er galt bis vor einigen Jahren als Neuerer

Am vergangenen Freitag kündigte Vladimir Malakhov an, seine Position als Intendant des Berliner Staatsballetts aufzugeben, zum Ende der Spielzeit 2013/2014. Er machte dafür auch André Schmitz, den Kulturstaatssekretär verantwortlich, der kein wirkliches Interesse an einer Verlängerung seines Vertrages gezeigt habe. Der Grund für diese Zögerlichkeit ist nun raus: Tatsächlich war schon ein Nachfolger ausgeguckt. Sonst hätte Klaus Wowereit in seiner Eigenschaft als Kultursenator wohl kaum schon an diesem Donnerstag dessen Namen bekannt geben können. Es ist der spanische Choreograf Nacho Duato.

Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht? Auf jeden Fall hat das Staatsballett unter Duato gute Chancen, ein paar Jahrzehnte vorzurücken, was die Modernität seines Repertoires angeht, fast bis ans Ende des 20. Jahrhunderts. Grund zur Trauer haben die, die gerade das Anachronistische an Malakhov geschätzt haben, seine Haltung als Ballettprinz, als glühender Liebhaber seiner Kunst. Seine Ära als Intendant machten ja nicht nur die vielen klassischen Handlungsballette und Stücke auf dem Spielplan aus – „Schwanensee“, „Ballets Russes“, „La Péri“ –, sondern auch die Emphase, mit der er ganz in dieser Welt aufzugehen schien.

Sein Verdienst war, aus den drei Ballett-Ensembles der Berliner Opern eine Compagnie mit einem starken Profil gemacht zu haben, auch wenn sie nur ein schmales Spektrum dessen, was klassisches und modernes Ballett sein können, beleuchtete. Immerhin hatte diese Marke ihre Fans, im Publikum fühlte man sich manchmal wie in einer russischen Diaspora. Ein Erfinder oder auch nur Ermöglicher von Neuem aber ist Malakhov ebenso wenig wie jemand, der aus der Reflexion über die Historizität des eigenen Genres Funken zu schlagen vermag.

Nacho Duato gehört, obwohl 10 Jahre älter, klar einer anderen Generation an. Vom Tänzer wurde der 1957 geborene Spanier schon in jungen Jahren zu einem Choreografen, dessen Ballette viel in Häusern getanzt wurden, die einer Aktualisierung der Tanzkunst aufgeschlossen gegenüberstanden – wie das Cullberg Ballett in Stockholm oder das Nederlands Dans Theater. Bewegung erhält bei Duato eine Eigenständigkeit, die nicht mehr an Rollen gebunden ist; sein Stil ist geschmeidig, melancholisch, fließend, er kann empfindsam und komplex werden.

Aber die Zeit, da er ein Neuerer im Tanz war, liegt auch bei ihm schon etwas zurück. Zwanzig Jahre lang (1990–2010) leitete Nacho Duato das Spanische Nationalballett in Madrid und hatte in dieser Zeit unter anderem schwer mit dem Geschmack des Publikums zu kämpfen. Ob es ihm nun in Berlin gelingt, das Staatsballett zu öffnen für jüngere Handschriften und ein Weiterdenken dessen, was mit der Sprache des Körpers alles anzustellen ist? KATRIN BETTINA MÜLLER