Sicherheitskonferenz mit Obama-Team: Ein bisschen "Change" in München

Auf der Sicherheitskonferenz treffen wichtige Obama-Leute erstmals auf Staatschefs aus der ganzen Welt. Grünen-Chef Özdemir erwartet von der EU, rechtzeitig Forderungen an die USA zu stellen.

Der Ort, an dem der Obamasche Change auch auf die Weltpolitik ausstrahlen soll: der "Bayerische Hof" in München. Bild: dpa

Die Münchner Sicherheitskonferenz tagt von Freitag bis Sonntag unter dem neuen Chef Wolfgang Ischinger. Viele Regierungschefs und Verteidigungsexperten werden erwartet.

Deutsche Teilnehmer: Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel werden heute und morgen in München erwartet.

Europäische Teilnehmer: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk treten auf, auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana. Ebenfalls dabei: Ministerpräsidentin Julia Timoschenko aus der Ukraine und der britische Außenminister David Milliband.

Internationale Teilnehmer: US-Vizepräsident Joe Biden tritt am Samstag auf. Heute eröffnet der vormalige US-Außenminister Henry Kissinger die Konferenz. Weitere Gäste: der US-Sondergesandte Richard Holbrooke, US-Sicherheitsberater James Jones, der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani, der russische Vizepremier Sergei Iwanow, der Chef der internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed al-Baradei, Jaap de Hoop Scheffer, Nato-Generalsekretär, und der afghanische Präsident Hamid Karsai.

BERLIN taz Dieses Jahr sind die deutschen Politiker, die zur Sicherheitskonferenz nach München reisen, doppelt aufgeregt. Erstens wird die Tagung die erste Gelegenheit sein, sich die Sicherheits- und Außenpolitiker im Team des neuen US-Präsidenten Obama von nahem anzusehen, sie vielleicht sogar zu sprechen. Zweitens verspricht die neue Konferenzorganisation unter Exbotschafter Wolfgang Ischinger ebenfalls ein bisschen Change.

Ein erhöhter Anteil weiblicher und jüngerer Gäste könnte das Bild der vergangenen Jahre auflockern, als vor allem ältere Herren sich endlos die Floskeln über "notwendige transatlantische Beziehungen bei gleichzeitiger Einbindung Russlands" hin und her reichten. Bei Zigarren und Spirituosen wurden die knalligsten Reden in den Nebensalons des überquellenden, winkeligen Hotels Bayerischer Hof interpretiert - unvergessen das "I am not convinced", mit dem sich Außenminister Joschka Fischer 2003 gegen den Irakkrieg wandte.

Weiterhin ausgeladen bleibt bei der ausdrücklich "privaten" Veranstaltung die Linkspartei. Alle anderen Fraktionen im Bundestag haben Einladungskontingente bekommen, die heiß umkämpft waren. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold fährt guter Hoffnung nach München, dass das Thema Afghanistan, wenngleich es im Zentrum der Diskussion steht, "nicht mehr so heiß wie letztes Jahr gekocht" wird. 2008 stand die Forderung nach mehr Bundeswehrsoldaten für Afghanistan offen im Raum. Der angekündigte, aber noch unbekannte Strategiewechsel Barack Obamas dagegen lässt immerhin die Vermutung zu, dass von der Bundesrepublik aktuell kein größerer militärischer Einsatz erwartet wird.

Arnold feilt auch an einem eigenen kleinen Diskussionsbeitrag. Er würde gern sagen, "dass wir es als Chance begreifen müssen, dass die USA und Europa unterschiedliche Kompetenzen haben", berichtet er. Dass die USA den Krieg gegen die Taliban führen müssten, während sich Europa mit dem Aufbau beliebt mache, war bislang eine Arbeitsteilung, die von US-Politikern lauthals beklagt wurde.

Jüngere Berichte aus Washington allerdings klingen, als wenn Obama daraus auch ein Prinzip machen könnte: Noch 2009 sollen tausende US-Soldaten die derzeit 32.000 Mann und Frau starken Truppen im Süden und Osten Afghanistans verstärken. Verteidigungsminister Robert Gates sprach zuletzt von einem Plus von 12.000 Kämpfern bis Mitte des Sommers. Die Europäer würden dann gebeten, ihren Anteil am zivilen Wiederaufbau entsprechend zu erhöhen, insbesondere die Ausbildung und Ausrüstung von afghanischer Armee und Polizei.

Der CDU-Verteidigungspolitiker Bernd Siebert hält es für durchaus möglich, dass sich die Europäer schon auf dem Nato-Gipfel Anfang April in Straßburg, Kehl und Baden-Baden zu einer beträchtlichen Aufstockung der zivilen Mittel bekennen könnten. Der zivile Afghanistan-Etat der Bundesregierung beträgt 140 Millionen Euro für 2009, der Bundeswehreinsatz kostet mehr als das Vierfache. "Wenn die Bundestagswahl hier im September dann vorbei ist", sagt Siebert, "wird Obama vermutlich auch mit militärischen Forderungen kommen." Er zweifle aber, dass irgendeine Bundesregierung bereit sei, mehr als die jetzt maximal 4.500 Soldaten zu schicken.

Der deutsche Militärbeitrag wird sich aber bald wie von selbst erhöhen. Denn Frankreich dürfte demnächst ankündigen, dass es seinen finanziellen Beitrag für den Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen über ganz Afghanistan leisten wird. Die Awacs werden aber größtenteils von Deutschen geflogen.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir, der als "Young Leader" nach München kommt, warnt davor, starr "wie das Kaninchen auf die Schlange" zu schauen, welche Forderungen Obama stellen werde. "Es ist Zeit, dass wir uns überlegen, welche Forderungen wir denn als EU an ihn stellen wollen." Auch die Grünen-Fraktionsspitze hat Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in einem Brief aufgefordert, ihr Gewicht für eine zivile Aufbaustrategie einzubringen. Özdemir erklärt jedoch, dass die Grünen nicht grundsätzlich dagegen seien, wenn Obama zunächst einmal mehr Truppen entsende: "Mehr Soldaten bedeuten nicht unbedingt mehr Krieg", meint er.

ULRIKE WINKELMANN

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