Braunkohle-Volksbegehren gescheitert: "Sie jammern, aber unterschreiben nicht"

Steffen Krautz wohnt in Kerkwitz. Noch. Denn wenn es nach dem Energiekonzern Vattenfall geht, soll an dieser Stelle in zehn Jahren Kohle abgebaut werden.

STEFFEN KRAUTZ, 36, lebt seit acht Jahren mit seiner Familie in Kerkwitz. Er arbeitet in der Chemiebranche.

taz: Herr Krautz, das Volksbegehren gegen neue Tagebaue ist gescheitert. Wann haben Sie geahnt, dass es so kommen wird?

Steffen Krautz: Ich habe eigentlich bis zum Schluss daran geglaubt, dass sich zumindest in den größeren Städten drei vier Prozent der Leute überzeugen lassen. In der vergangenen Woche habe ich auch gemerkt, dass in den Dörfern nochmal ein Schwung von Menschen seine Unterschrift geleistet hat. Da dachte ich, wir werden es zwar nicht ganz schaffen, aber zumindest ein deutliches Ausrufezeichen setzen.

Schon zur Halbzeit im Dezember waren nur 6.200 der nötigen 80.000 Unterschriften da.

Bei der vorherigen Volksinitiative war es ähnlich. Da dachten wir anfangs auch, das wird eng. Dann hat es doch geklappt.

Woran könnte das schlechte Ergebnis jetzt liegen?

Ich bin der Meinung, dass der Brandenburger allgemein, was Behördengänge angeht, sehr schwerfällig ist. Man muss viele, viele Leute davon überzeugen, Initiative zu zeigen. In diesem Fall ist noch mehr Engagement nötig, denn man musste in der Mittagspause oder am Donnerstag, wenn die Ämter vielleicht abends offen waren, zum Amt fahren.

Was hätte das Ergebnis verbessern können?

Ich glaube, ein Termin später im Jahr, Richtung Wahlen, hätte mehr Leute mobilisiert. Dann wäre die politische Diskussion kontroverser gewesen. Und die Betroffenen in den Dörfern hätten besser eingebunden werden sollen. Viele waren von Anfang an nicht integriert. Zum Beispiel fanden die Initiativentreffen nie in einem der Dörfer statt, die dem Tagebau zum Opfer fallen sollen, sondern nur im fernen Potsdam. Wären die Betroffenen besser eingebunden worden, hätten sie sich mehr mit dem Volksbegehren identifiziert. Und für alle anderen wären mehr Emotionen rübergebracht worden.

Sie selbst wohnen in Kerkwitz, einem der vier Dörfer, das dem Tagebau weichen soll. Wie präsent ist das im Alltag?

Man muss sich daran gewöhnen, da möglichst nicht drüber nachzudenken. Sonst richtet man sein ganzes Leben danach aus - und das geht nicht. Wir haben einen kleinen Sohn, der wird in diesem Jahr zwei Jahre alt und soll in vier Jahren zur Schule gehen. Ich schaue auf das, was ich jetzt tun kann.

Und was ist das?

Die nächste Möglichkeit ist, mit der Gemeinde gegen den Landesentwicklungsplan vorzugehen. Das kann man nicht als Einzelperson, sondern nur als Gemeinde. Die zweite Möglichkeit ist, sich im Planfeststellungsverfahren gegen den Tagebau zu wehren.

Gibt es da konkrete Pläne?

Derzeit haben wir mit mehreren Bürgern im Dorf die ersten Kontakte zu Anwälten.

Sind Sie als Betroffener wütend auf die Mitbürger, die das Volksbegehren nicht unterschrieben haben?

Ja. Die Brandenburger jammern, dass mit dem Tagebau so viel Natur kaputtgemacht wird. Aber sie unterschreiben trotzdem nicht. Viele glauben auch an das Arbeitsplatzargument, das Vattenfall und die Politik immer vorbringen. Dabei hat im vergangenen Jahr die IHK Cottbus die Zahl veröffentlicht, dass Vattenfall im Tagebau in der Lausitz nur noch 4.165 Menschen beschäftigt. Wir reden hier also nicht mehr über zehntausende.

Wie viel Hoffnung haben Sie, dass Ihr Dorf gerettet wird?

95 Prozent Hoffnung habe ich noch. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Leute weiterhin so blind sind.INTERVIEW: SVENJA BERGT

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