Neuigkeiten im Mordfall Kardelen: Wie im Krimi

Der mutmaßliche Mörder der achtjährigen Kardelen stellte sich in der Türkei der Polizei. Allerdings nicht freiwillig. Er suchte Schutz vor seinem Schwiegervater.

Die 8-jährige Kardelen aus Paderborn wurde vergewaltigt und ermordet. Bild: dpa

ISTANBUL taz Hinter folgender Meldung verbirgt sich eine Geschichte, wie sie sich ein "Tatort"-Drehbuchautor nicht dramatischer hätte ausdenken können:

Einen Monat nach dem Mord an der achtjährigen Kardelen in Paderborn ist der mutmaßliche Mörder Ali Kur an der türkischen Ägäisküste gefasst worden. Der 29-Jährige stellte sich in dem Küstenort Didim der Polizei, nachdem er von seinem Schwiegervater aufgespürt worden war. Kur wird vorgeworfen, Kardelen in seiner Wohnung missbraucht und erstickt zu haben. Die Festnahme geht wohl ausschließlich auf das Konto des Schwiegervaters Kadir Ayaz, die Polizei nahm den Gesuchten lediglich noch in Empfang.

Wie die türkische Zeitung Milliyet in ihrem Internetportal berichtet, stellte sich Ali Kur am Dienstagabend gegen 22 Uhr der Polizei in Didim. Zuvor hatte er ein vereinbartes Treffen mit seinem Schwiegervater platzen lassen und war stattdessen gleich zur Polizei gegangen, wohl aus Angst, sein Schwiegervater könnte ihn ermorden.

Dem Bericht in Milliyet nach hatte Ali Kur seit der Heirat ein angespanntes Verhältnis zu seinem Schwiegervater, der von Anfang an gegen die Hochzeit gewesen sei. "Der Kerl taugt nichts", soll der 49-jährige Kadir seiner Tochter gesagt haben, aber die habe ihn trotzdem geheiratet.

Die Tochter ist in Deutschland geboren und hat einen deutschen Pass. Als sich in Paderborn anhand von DNA-Spuren die Hinweise verdichtet hatten, dass Ali Kur, der zwei Tage nach dem Mord zusammen mit seiner Frau überraschend in die Türkei gefahren war, der mutmaßliche Mörder von Kardelen ist, war Kadir Ayaz zu den Eltern des Mädchens gegangen, hatte sich für seinen Schwiegersohn entschuldigt und gesagt: "Ich werde Ali suchen und fangen. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich ihn der Polizei übergeben habe. Ich stehe mit meiner Ehre dafür ein."

Am 5. Februar flog er nach Izmir, trommelte dort etliche Freunde zusammen und begann die Suche nach dem flüchtigen Ali. Seine Tochter war da bereits wieder auf dem Rückweg nach Deutschland. Ihr Vater hatte sich auch um ihre Sicherheit Sorgen gemacht.

Von der Mutter des flüchtigen Ali wusste Kadir Ayaz, dass Ali sich bei einer Tante in Didim gemeldet hatte. Zusammen mit seinen Freunden suchten sie fünf Tage lang systematisch die Küstenorte zwischen Izmir, Ephesus und Didim ab.

Die Polizei hatten sie zwar verständigt, große Hilfe bekamen sie dort aber wohl nicht. Den Kontakt zwischen Ali und seinem Schwiegervater stellte dann letztlich Alis Mutter telefonisch her. Ali willigte ein, sich mit seinem Schwiegervater in Didim zu treffen. Der müsse aber allein kommen. "Weil ich Ali für einen Psychopathen halte, habe ich aber drei Freunde mitgenommen", sagte Kadir Ayaz gestern, "allein hätte ich Angst gehabt." Angst hatte dann aber auch Ali Kur. Als er aus dem Auto heraus sah, dass sein Schwiegervater nicht allein war, fuhr er in Panik direkt zur Polizei. Kadir Ayaz bekräftigte aber auch gestern noch einmal, dass er immer vorgehabt habe, Ali der Polizei zu übergeben. Der mutmaßliche Mörder Kardelens wurde gestern weiterhin von einem Polizeiteam in Didim verhört. Ob er ein Geständnis abgelegt hat, ist noch nicht bekannt.

Nach Deutschland wird Ali Kur wohl nicht mehr zurückkommen. Die Türkei liefert - wie Deutschland auch - eigene Staatsbürger nicht aus. Ali Kur wird in der Türkei vor Gericht gestellt werden. Laut Milliyet sind auch die Eltern der ermordeten Kardelen bereits in Izmir eingetroffen, um bei der türkischen Polizei eine Aussage zu machen. Die Familie sei erleichtert, dass Ali Kur gefasst wurde, hieß es.

Und Kadir Ayaz? Er hat aus seiner Sicht seine Tochter, die gestern noch die Scheidung von Ali Kur beantragte, aus möglicher Gefahr gerettet und die Familienehre wiederhergestellt. Was dagegen den mutmaßlichen Mörder zu seiner Tat veranlasst haben könnte, ist nach wie vor völlig unklar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.