Forschungbasierte Lehrerbildung: Wie Lehrer Teamspieler werden

An der Uni Oldenburg lernen künftige Lehrer im Studium, wie man forscht und mit Kollegen zusammenarbeitet.

Lehrerstudenten, die an Schulen forschen - gut fürs Berufsleben. Bild: photocase/froodmat

Wie bitte? Lehrerstudenten, die vor Ort an den Schulen forschen? Ja, doch, das gibts. Kleine Teams von angehenden Lehrern suchen sich ein Thema aus, das sie dann über einige Schulstunden gemeinsam verfolgen. Sie beobachten etwa, wie unterschiedlich sich Mädchen und Jungen im Physikunterricht verhalten. Wenn Lehrer als Forscher in den Unterricht gehen, lernen sie viel für ihr künftiges Berufsleben.

Die halbe Republik streitet gerade wieder über die Lehrer und ihre mangelnde Bildung. Das beispielhafte Projekt aber läuft am Didaktischen Zentrum (diz) der Oldenburger Uni schon seit über zwölf Jahren. Es heißt "Oldenburger Teamforschung" und war sogar Modellversuch der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. "Unser Leitbild ist das der forschungsbasierten Lehrerbildung", erklärt Pädagogikprofessor Hilbert Meyer.

Das Prinzip der Teamforschung sieht so aus. Lehrer aus Schulen in und um Oldenburg wenden sich an die Uni. Dort bilden sie ein Lehrer-Forscher-Team mit vier bis fünf Studierenden und machen empirische Studien in den Klassenzimmern. In einem Uni-Seminar wird dann die Forschung begleitet und ausgewertet. Die Ergebnisse werden anschließend auch an den Schulen präsentiert - so dass nicht nur die studierenden, sondern auch die aktiven Lehrer etwas davon haben.

Zum Beispiel im Projekt "Wohlfühlen im Klassenzimmer". "Als Methoden haben wir Mindmapping gewählt und einen Bewertungsbogen erstellt", erzählt Annika Dittmer, die als Studentin am Projekt beteiligt war. Mindmapping - das ist ein ungewöhnliches Verfahren für Schulklassen. Es bedeutete in diesem Fall gemeinsames Nachdenken und Notieren mit der Klasse. Die Einrichtung des Raums, die Farbe an den Wänden, der Zustand des Klassenzimmers - alles das war Thema. In einem nächsten Schritt bewerten sie die Ergebnisse. Mit den Bewertungsbögen, die so entstanden, haben sie die Schüler ihrer Klasse dann in andere Klassen geschickt - und so Schüler zum Sprechen gebracht, die das mit Lehrern oder Forschern wahrscheinlich nie getan hätten.

"Das war sehr viel Arbeit", sagt Dittmer, "aber sie hat Spaß gemacht. Mehr Spaß jedenfalls, als im Lehrerstudium Referate zu halten oder als Einzelkämpfer unterwegs zu sein." Das ist deswegen so wichtig, weil die Zusammenarbeit unter den Lehrern als das große Manko in den Schulen gilt - sie klappt nicht. Die künftige Lehrerin Dittmer möchte mit der Teamforschung aber auch einen anderen Blick auf ihre Klasse bekommen.

Wie jede Hochschule hat auch Oldenburg in den letzten Jahren auf Bachelor und Master umgestellt - auf den Master of Education. Den Ansatz des forschenden Lernens wollte man auch unter den neuen Strukturen beibehalten. Zum einen wurden Ansätze davon ins allgemeine Schulpraktikum übernommen - das ist das zweite der drei Praktika der Oldenburger Lehramtsstudierenden.

Zum anderen wird die "Oldenburger Teamforschung" als "Einführung in die schulische Aktionsforschung" im Masterstudium angeboten. Es kann im Rahmen des Moduls "Forschungsmethoden" belegt werden. "Aktionsforschung" oder "action research" heißt der Ansatz, aus dem sich die Teamforschung entwickelt hat.

Dennoch ist die Zukunft der Oldenburger Teamforschung nicht endgültig geklärt. Wolfgang Fichten, der Leiter der Forschungswerkstatt, ist pensioniert. Seine Stelle, die von seiner früheren Schule bezahlt wurde und nicht von der Uni, gibt es eigentlich nicht mehr. Aber Fichten macht weiter, weil ihm die Arbeit so wichtig ist.

Am liebsten würde Fichten die Teamforschung auch angehenden LehrerInnen während des Referendariats verschreiben. Damit sich der forschende Blick verfestigt. Denn dann sind die LehrerInnen auch später im Berufsleben eher bereit, den Blickwinkel zu ändern und forschend an neue Aufgaben heranzugehen. Während der Modellphase war das zeitweise schon einmal möglich. Unter den momentanen Bedingungen des Referendariats sei Forschen aber nicht mehr möglich, meint Fichten: "Da bleibt keine Zeit."

Dass so etwas wie die Teamforschung ausgerechnet an der Uni Oldenburg entstehen konnte, ist kein Zufall. Denn die Universität hat langjährige Erfahrung mit Experimenten. Beispielsweise baute sie in den 70er-Jahren unter einer SPD-Regierung einen Modellversuch zur einphasigen Lehrerausbildung auf. Das bedeutet, dass die Lehrerbildung nicht in die zwei Phasen Studium und Referendariat getrennt wurde. Außerdem hat die Uni über die Jahre ein Netz aufgebaut, das sie mit vielen Schulen in der Region verbindet.

Am diz ist der Generationenwechsel mittlerweile in vollem Gang. Bald wird auch Hilbert Meyer die Universität verlassen. Die Oldenburger Teamforschung aber soll es auf jeden Fall weiterhin geben, versichert diz-Geschäftsführer Jens Winkel. Es gibt Versuche, eine ehemalige Hilfskraft der Forschungswerkstatt als Nachfolgerin zu gewinnen - wenn ihr Schulleiter sie für die erforderlichen Stunden freistellt.

Die Zukunft der Teamforschung liegt aber nicht nur in Oldenburg. In Osnabrück wird gerade eine Forschungswerkstatt aufgebaut. Und die Universität in Port Elizabeth, Südafrika, bekundet seit Jahren Interesse an der Oldenburger Forschung. Vor zwei Jahren war Fichten dort. Die Planung hat bereits begonnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.