Kommentar EU-Hilfe für Autoindustrie: Verweigerte Politik

Die EU-Kommission will der Autoindustrie helfen. Ökologische und soziale Kriterien sind dabei nicht einfach nur übergangen worden, sie sollen ausdrücklich keine Rolle spielen.

Die Autoindustrie leidet: Angesichts einbrechender Verkaufszahlen ist die bisher so selbstherrlich auftretende Branche zum Bittsteller der Politik geworden. Andererseits steht die Politik - angesichts von Millionen bedrohter Jobs - dem Wunsch nach Unterstützung noch aufgeschlossener gegenüber als ohnehin schon.

Diese Situation könnte eine große Chance sein. Schließlich kann für finanzielle Hilfe eine Gegenleistung verlangt werden. Effiziente Techniken gezielt zu fördern, eine Umstellung der Modellpolitik hin zu sparsameren Fahrzeugen endlich einzuleiten: Solche industriepolitischen Entscheidungen wären jetzt möglich, und sie wären nicht nur ökologisch, sondern langfristig auch ökonomisch sinnvoll.

Politik und Gesellschaft könnten heute formulieren, was für eine Wirtschaft sie wollen.

Doch das Gegenteil geschieht: Die Europäische Kommission hat bei der Vorstellung ihrer Strategie gegen die Autokrise viele Zusagen gemacht. Krisenbedingte Hilfsmaßnahmen der Nationalstaaten werden genehmigt, zusätzliche EU-Kredite in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt. Bedingungen werden daran höchstens insofern geknüpft, als der Wettbewerb nicht verzerrt werden soll. Ökologische und soziale Kriterien fehlen nicht einfach - sie werden explizit ausgeschlossen. Die Industrie werde nicht mit neuen Gesetzen belastet, verspricht der deutsche EU-Kommissar Günther Verheugen allen Ernstes.

Die EU knüpft damit nahtlos an die fragwürdige Subventionspolitik in Deutschland an: Auch hier wurden Abwrackprämie und Steuerbefreiung für Neuwagen völlig frei von Umweltkriterien unters Volk gebracht. Autos verkaufen, egal welche, lautet das Motto der Politik auf allen Ebenen.

Auch wenn in der Wirtschaftskrise die Sicherung von Arbeitsplätzen zu Recht eine hohe Priorität hat, ist dieses Vorgehen falsch. Ob im Finanzsektor oder in der Autobranche: Die Fehler der Unternehmen vom Steuerzahler ausbügeln zu lassen, ohne darauf zu drängen, dass solche Fehler nicht wiederholt werden, ist eine Arbeitsverweigerung der Politik.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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